Die ePA ist ein Projekt zur Beendigung der Zeugnisungerechtigkeit

Mittwoch, 1. Oktober 2025

Die Einführung der elektronischen Patientenakte (ePA) am 1. Oktober 2025 ist ein Meilenstein für die digitale Gesundheitskompetenz in Deutschland und ein Schritt zur Überwindung der Zeugnisungerechtigkeit im Gesundheitswesen. Wir müssen die Navigation im Gesundheitswissen stärken!

Fahne

Eigene Aufnahme, Technik Museum Berlin

Zum 1. Oktober 2025 ist in Deutschland die elektronische Patientenakte (ePA) für alle gesetzlich Versicherten eingeführt worden. Verpflichtend. Für manche markiert das einen Meilenstein in der Digitalisierung des deutschen Gesundheitswesens. Für mich ist es der Anfang vom Ende der Zeugnisungerechtigkeit im Gesundheitswesen.

Das Befüllen der elektronischen Patientenakte (ePA) ist nicht nur eine bürokratische Pflicht, sondern kann auch als epistemische Tugend verstanden werden.

Durch die systematische Dokumentation und Verfügbarmachung medizinischer Daten wird Wissen demokratisiert und der Zugang zu relevanten Gesundheitsinformationen erleichtert.

Epistemische Tugenden sind Eigenschaften, die als förderlich für die Produktion, Vermittlung oder den Erwerb von Wissen angesehen werden. Im Kontext der ePA bedeutet dies, dass durch systematische Dokumentation und Offenlegung medizinischer Daten nicht nur Wissen zum eigenen Gesundheitszustand zugänglicher wird, sondern auch erkenntnisfördernde Tugenden wie Genauigkeit, Wahrhaftigkeit und Zuverlässigkeit im Gesundheitssystem gestärkt werden.

Diese epistemischen Tugenden können dazu beitragen, den von Miranda Fricker als Zeugnisungerechtigkeit bezeichneten Missstand zu reduzieren. Indem Patientendaten transparent und zugänglich gemacht werden, wird der sogenannten testimonialen Ungerechtigkeit entgegengewirkt, bei der Patienten aufgrund asymmetrischer Wissensverhältnisse benachteiligt werden. Gleichzeitig schafft die ePA einen begrifflichen Rahmen, der weitere Ungerechtigkeiten verringern kann, indem sie zur Schließung kollektiver hermeneutischer Lücken im Verständnis von Gesundheitserfahrungen beiträgt.

Eine große Herausforderung bleibt die unzureichend ausgeprägte navigationale Gesundheitskompetenz in der Bevölkerung. Viele Patientinnen und Patienten können kaum zwischen einrichtungsinternen und persönlichen Patientenakten unterscheiden. Diese Wissenslücke kann durch die verpflichtende Einführung geschlossen werden. Die Vorteile der ePA können jedoch nur vollumfänglich genutzt werden, wenn sich dort auch etwas findet.

Der Schutz einrichtungsinterner Patientenakten ist berechtigt. Praxisverwaltungssysteme (PVS) enthalten oft Kontextinformationen, die für das Behandlungsteam wertvoll sind, bei vollständiger Transparenz jedoch zu Missverständnissen führen könnten. Die Balance zwischen Transparenz und Schutz vertraulicher Informationen bleibt eine Herausforderung in digitalen Zeiten.

Wenn alle Gesundheitsdienstleister die ePA konsequent nutzen, müssen Patienten nicht länger juristische Wege beschreiten, um Zugang zu ihren eigenen Gesundheitsdaten zu erhalten.

Die angesprochene Zeugnisungerechtigkeit ist meines Erachtens kein bewusster Affront seitens der Ärzteschaft, sondern eine strukturelle Ursache. Auch die Hersteller von Praxisverwaltungssystemen haben bislang unzureichende Lösungen entwickelt, um den legitimen Informationsbedürfnissen der Patienten gerecht zu werden.

Die Einführung der ePA markiert einen wichtigen Schritt zur Souveränität im Umgang mit Gesundheitswissen. Noch bleibt viel zu tun, um die digital-navigationale Gesundheitskompetenz zu fördern und sicherzustellen, dass die ePA ihr volles Potenzial zur Überwindung der Zeugnisungerechtigkeit entfalten kann.

Übrigens. Am 9. Oktober 2025 werden die Ergebnisse der HLS-GER 3 vorgestellt. Die HLS-GER 3 ist die dritte deutsche Gesundheitskompetenzerhebung (Health Literacy Survey Germany), die den Stand der Gesundheitskompetenz in der deutschen Bevölkerung misst. Diese bundesweite Studie untersucht, wie gut Menschen gesundheitsrelevante Informationen finden, verstehen, bewerten und anwenden können.

Die HLS-GER 3 wird besonders interessant sein, da sie auch digitale Gesundheitskompetenzen und den Umgang mit der neu eingeführten elektronischen Patientenakte erfasst. Die Ergebnisse werden wichtige Erkenntnisse liefern, inwieweit die Bevölkerung bereit ist, die Möglichkeiten der ePA zu nutzen, und wo noch Unterstützungsbedarf besteht.


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