Worldview & Ideology

Datenkolonialismus

Datenkolonialismus

Datenkolonialismus

Update from 29.03.2025

Zum Umgang mit Machtstrukturen im digitalen Zeitalter

Zum Umgang mit Machtstrukturen im digitalen Zeitalter

Was ist Datenkolonialismus?

Datenkolonialismus beschreibt eine Form der datengestützten Machtausübung. Daten werden genutzt, um neue unerschlossene Gebiete zu erschließen.

Das einst von Angela Merkel ins Gespräch gebrachte Neuland zur Umschreibung einer latenten Unbeholfenheit im Umgang mit den digitalen Räumen dürfen wir als »Terra Ignota Digitalis« als bereits besetzt erkennen. Wir hätten das nicht als Litanei abtun sollen, sondern als Ideologie erkennen können.

Ähnlich wie beim historischen Kolonialismus geht es also um die Kontrolle und Ausbeutung von Ressourcen. In diesem Fall digitaler Natur, und zwar nicht nur durch die Besetzung der digitalen Räume, sondern all dessen, was im Rahmen digitaler Datenmodelle an Überschuss von Nutzern erzeugt wird, ohne dass diese unmittelbar auf diesen Surplus zugreifen könnten.

Kernmerkmale des Datenkolonialismus

Diese Merkmale des Datenkolonialismus sind nicht nur Beschreibungen, sondern auch ein Aufruf an uns alle, unsere digitale Freiheit und Selbstbestimmung aktiv zu verteidigen und verantwortungsvoll zu gestalten.

Digitale Landnahme

Große Technologieunternehmen sammeln und kontrollieren in einem noch nie dagewesenen Ausmaß persönliche Daten ihrer Nutzer. Diese systematische Datenakkumulation erstreckt sich über sämtliche Lebensbereiche, von alltäglichen Nutzerinteraktionen bis zu sensiblen persönlichen Informationen, wobei die Unternehmen ihre technologische Infrastruktur und Marktposition nutzen, um ihre Datenbasis kontinuierlich zu erweitern und zu verfeinern.

Diese Form des Datenkolonialismus erleben wir auch bei Gesundheitsdaten. Allerdings verlaufen hier Anspruch und Motive teils diametral zueinander. Vor über 10 Jahren ahnten wir bereits, dass die großen TEX wie Google, Apple und weitere ein Interesse an unseren Gesundheitsdaten entwickelten. Partielle Rückzüge wie das Beenden des Projekts, Google Health oder auch das Beenden von Amazons Projekt 1492 waren keine echte Beruhigung. Im Gegenteil. Amazon kaufte nachher eine US-Klinikkette und bietet mit One Medical unter dem gleichen Namen einen integrierten Dienst für Telemedizin an. Auch Google zeigt weiterhin Interesse an Gesundheitsdaten und kaufte schon vor vielen Jahren das Unternehmen Fitbit und bittet immer häufiger darum, das Fitbit-Konto mit dem persönlichen Google-Account zu verknüpfen.

Gerade erst beginnt der Diskurs um den Einsatz von Palantir. In den vergangenen Monaten hat sich die Debatte um den Einsatz von Software aus dem Hause Peter Thiel durch deutsche Behörden zugespitzt.

Machtasymmetrie

Nutzer werden zu »digitalen Leibeigenen«, die oft unwissentlich und ohne echte Wahlfreiheit ihre persönlichen Daten als Währung für die Nutzung digitaler Dienste »bezahlen«. Diese moderne Form der digitalen Abhängigkeit manifestiert sich in einem subtilen aber weitreichenden Kontrollverlust, bei dem Nutzer ihre wertvollen persönlichen Informationen gegen scheinbar kostenlose Services eintauschen, während sie gleichzeitig in ein System der kontinuierlichen Datenabschöpfung eingebunden werden.

Jede Datenspur, die wir erzeugen, unterliegt der Mehrwertproduktion im Sinne der TEX. Wir sind die Angestellten des Gestells, das sich im Sinne virtueller Welten um uns, unsere Lebenspraxis und damit unserer Weltanschauungen ergibt.

Das jüngste Beispiel dieser Pervertierungen zeigte sich bei Elon Musk, der während des US-Wahlkampfs 2024 erhebliche finanzielle Mittel einsetzte, um Donald Trump und die Republikaner zu unterstützen. Berichten zufolge spendete Musk insgesamt etwa 277 Millionen US-Dollar, hauptsächlich über sein Political Action Committee (PAC) namens America PAC. Eine besonders kontroverse Aktion war Musks Ankündigung, täglich eine Million US-Dollar an ausgewählte Wählerinnen und Wähler zu vergeben, die eine von ihm initiierte Petition unterzeichneten und als Wähler registriert waren.

Datenextraktion

Die systematische Gewinnung und Verwertung von »Verhaltensüberschüssen« aus gesammelten Nutzerdaten erfolgt durch komplexe Algorithmen und Analysemethoden. Diese extrahieren nicht nur offensichtliche Informationen, sondern auch verborgene Verhaltensmuster, Präferenzen und Gewohnheiten aus scheinbar belanglosen Nutzerinteraktionen.

Der Begriff »Verhaltensüberschüsse« beschreibt dabei jene Datenpunkte, die über den ursprünglichen Verwendungszweck hinaus zur Wertschöpfung genutzt werden. Er wurde von Shoshana Zuboff in ihrem Buch »Der Überwachungskapitalismus« eindrucksvoll beschrieben.

Aus diesen Datenextraktionen leitet sich die Vermutung ab, das TEX mehr über uns wissen, als wir über uns selbst.

Phantombesitz

Nutzer haben die Illusion der Kontrolle über ihre Daten, während die tatsächliche Sachherrschaft bei den Tech-Unternehmen liegt.

Eva von Redecker beschreibt in ihren Arbeiten die Problematik des Phantombesitzes als Teil einer größeren Analyse der »sachlichen Sachherrschaft«. Nach ihrer Analyse manifestiert sich die Sachherrschaft durch moderne Eigentumsstrukturen, die eine vollständige Verfügung über das Eigentum versprechen. Dies führt zur Verdinglichung von Lebewesen und Beziehungen.

Die sachliche Herrschaft hingegen bezieht sich auf die durch kapitalistische Verwertung strukturierte Herrschaft, die bestimmte Teile der Welt als »entsorgbar« behandelt. Im digitalen Raum verschmelzen diese beiden Formen zu einer »sachlichen Sachherrschaft«, bei der Nutzer zwar formal Kontrolle über ihre Daten zu haben scheinen, die tatsächliche Verfügungsgewalt aber bei den Tech-Unternehmen (TEX) liegt.

Diese Analyse ist besonders relevant für das Verständnis des Datenkolonialismus, da sie aufzeigt, wie moderne Technologieunternehmen nicht nur Daten sammeln, sondern auch die Strukturen schaffen, die diese Datensammlung als selbstverständlich und alternativlos erscheinen lassen.

Auswirkungen auf das Gesundheitswesen

Im Gesundheitssektor manifestiert sich der Datenkolonialismus besonders kritisch durch:

  • Die Sammlung und Kontrolle sensibler Gesundheitsdaten durch private Technologieunternehmen.

  • Die zunehmende Abhängigkeit von digitalen Gesundheitsplattformen und -diensten.

  • Datenschutzbedenken bei der elektronischen Patientenakte und anderen digitalen Gesundheitssystemen.

Gegenstrategien

Um dem Datenkolonialismus entgegenzuwirken, braucht es:

  • Entwicklung einer »genügsamen, befähigenden und kooperativen« digitalen Gesundheitsversorgung.

  • Stärkung der digitalen Souveränität von Gesundheitseinrichtungen und Patienten.

  • Ethische Rahmenwerke für den Umgang mit Gesundheitsdaten.

Die Herausforderung beim Datenkolonialismus besteht darin, die Vorteile der Digitalisierung im Gesundheitswesen zu nutzen, ohne in neue Abhängigkeiten und Ausbeutungsverhältnisse zu geraten.

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Mar 29, 2025

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Frank Stratmann

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