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Weltanschauung
Der Begriff der Weltanschauung, oft Kant zugeschrieben, wird in seiner Kritik der Urteilskraft nicht in der modernen Bedeutung verwendet. Kant unterscheidet zwischen bestimmender und reflektierender Urteilskraft, wobei letztere für ästhetische Urteile zentral ist. Anschauung ist entscheidend für Erkenntnis, wobei sinnliche und reine Anschauung unterschieden werden. Kants Ästhetik betont, dass das Urteil über das Schöne auf einem Gefühl des Wohlgefallens beruht, das allgemein mitteilbar ist. Kants Ideen legen die Grundlage für ein Verständnis der Welt als geordnetes Ganzes, das über begriffliche Erfassung hinausgeht.
Written by: Redaktion
Philosophie
Update from Jul 23, 2025
Der Begriff ›Weltanschauung‹ wird oft Immanuel Kant zugeschrieben, insbesondere im Kontext seiner Kritik der Urteilskraft (1790). Es ist jedoch wichtig zu präzisieren, dass Kant den Begriff ›Weltanschauung‹ nicht in der heute geläufigen, umfassenden Bedeutung eines kohärenten, individuellen oder kollektiven Weltbildes verwendet, das moralische, ästhetische und erkenntnistheoretische Überzeugungen einschließt. Vielmehr verwendet er verwandte Begriffe wie ›Weltbegriff‹ oder ›Weltkenntnis‹ im Kontext seiner kritischen Philosophie. Die Idee einer ›Weltanschauung‹ im modernen Sinne ist eher eine Entwicklung nach Kant, die von Philosophen wie Fichte, Schelling oder Hegel weiter ausgearbeitet wurde.
Dennoch bietet Kants Kritik der Urteilskraft wichtige Grundlagen für das Verständnis dessen, was später als Weltanschauung verstanden werden sollte, speziell durch seine Betrachtungen zur Urteilskraft und zur Anschauung.
Der Begriff der Urteilskraft bei Kant
In der Kritik der Urteilskraft untersucht Kant zwei Haupttypen der Urteilskraft:
Die bestimmende Urteilskraft: Hierbei wird ein Besonderes (ein Einzelfall) unter ein bereits gegebenes Allgemeines (eine Regel, ein Begriff) subsumiert. Dies ist typisch für die theoretische Erkenntnis in den Wissenschaften, wo wir Gesetze anwenden, um Phänomene zu erklären.
Die reflektierende Urteilskraft: Diese ist für die Kritik der Urteilskraft zentral. Hier ist das Allgemeine (die Regel) nicht gegeben, sondern muss vom Besonderen aus gefunden werden. Sie ist leitend für das ästhetische Urteil (über das Schöne und Erhabene) und das teleologische Urteil (über die Zweckmäßigkeit der Natur). Bei der reflektierenden Urteilskraft geht es nicht darum, die Welt zu erkennen, wie sie an sich ist, sondern darum, wie wir sie uns denkbar und erfahrbar machen können, indem wir sie als zweckmäßig oder sinnvoll strukturiert ›annehmen‹.
Die Besonderheit der Anschauung bei Kant
Die Anschauung ist bei Kant ein grundlegendes Element der Erkenntnis. Sie bezeichnet die Fähigkeit des Gemüts, sich auf einzelne Gegenstände direkt zu beziehen. Kant unterscheidet:
Sinnliche Anschauung: Diese liefert uns die Materie unserer Erkenntnis – die unmittelbaren Eindrücke und Empfindungen, die wir durch unsere Sinne erhalten (z. B. Farben, Formen, Gerüche). Ohne sinnliche Anschauung wären unsere Begriffe ›leer‹.
Reine Anschauung (apriorische Anschauung): Dies sind die Formen der Sinnlichkeit, Raum und Zeit, die vor aller Erfahrung in uns liegen und erst die Möglichkeit von Erfahrungen als geordnete Erscheinungen ermöglichen.
Die Besonderheit der Anschauung im Kontext der Urteilskraft, insbesondere der ästhetischen Urteilskraft, liegt darin, dass das Urteil über das Schöne nicht auf einem Begriff beruht, sondern auf einem Gefühl des Wohlgefallens, das aus dem freien Spiel von Einbildungskraft und Verstand entsteht. Dieses Wohlgefallen ist aber dennoch allgemein mitteilbar und nicht bloß subjektiv. Dies führt Kant zum berühmten Diktum: »Schön ist das, was ohne Begriff allgemein gefällt.«
Bezug zur »Kritik der Urteilskraft« und Zitat
Obwohl Kant den Ausdruck ›Weltanschauung‹ im modernen Sinne nicht explizit verwendet, legt er in der Kritik der Urteilskraft die Grundlagen für ein Verständnis, wie wir die Welt nicht nur begrifflich erfassen, sondern auch als ein geordnetes, zweckmäßiges Ganzes erfahren können – eine Erfahrung, die wesentlich auf der reflektierenden Urteilskraft und der Anschauung beruht.
Ein Zitat, das die Bedeutung der Anschauung und die nicht-begriffliche Natur des ästhetischen Urteils in der Kritik der Urteilskraft verdeutlicht, findet sich in § 59, wo Kant über die Schönheit als Symbol der Sittlichkeit spricht:
§ 59. Von der Schönheit als Symbol der Sittlichkeit.
Die Realität unserer Begriffe darzutun, werden immer Anschauungen erfordert. Sind es empirische Begriffe, so heißen die letzteren Beispiele. Sind jene reine Verstandesbegriffe, so werden die letzteren Schemate genannt. Verlangt man gar, dass die objektive Realität der Vernunftbegriffe, d. i. der Ideen, für diese keine Anschauung, mithin auch kein Beispiel gegeben werden kann, sondern bloß Schemate (für die Möglichkeit ihrer Gegenstände), die bloß subjektive, aber doch für jedermann gültige und notwendige Darstellungen sind, so findet sich hier eine eigentümliche Anwendung der Urteilskraft, welche die Form des Urteils überhaupt betrifft, nämlich die des unmittelbaren Gefühls der Lust an einem Gegenstande, obgleich ohne Begriff desselben.«
(Immanuel Kant, Kritik der Urteilskraft, § 59, A 253/B 257)
Dieses Zitat unterstreicht Kants Position, dass Anschauungen für die »Realität unserer Begriffe« unverzichtbar sind. Im Kontext des ästhetischen Urteils geht es jedoch nicht um die Subsumtion unter einen Begriff, sondern um ein »unmittelbares Gefühl der Lust an einem Gegenstande, obgleich ohne Begriff desselben.« Dies ist der Kern der Besonderheit der ästhetischen Anschauung bei Kant: Sie ist interessenlos, zweckmäßig ohne Zweck, und spricht dennoch einen Anspruch auf allgemeine Gültigkeit aus. Die reflektierende Urteilskraft, die diese ästhetischen Urteile ermöglicht, erlaubt es uns, in der Natur eine Zweckmäßigkeit zu erfahren, die wir nicht beweisen können, aber als regulatives Prinzip für unser Denken annehmen müssen, um die Kohärenz der Welt für uns herzustellen. Dies ist ein entscheidender Schritt hin zur Idee, dass wir die Welt nicht nur rational erfassen, sondern auch intuitiv und gefühlsmäßig als ein sinnvolles Ganzes ›anschauen‹ und interpretieren – eine Vorstufe zum modernen Begriff der Weltanschauung.
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