Von der Augmentierung des Intellekts beim Schreiben
Freitag, 25. Juli 2025
Im digitalen Zeitalter wandelt sich das Schreiben von einem Akt der Selbsterkenntnis zu einer kuratorischen Zusammenarbeit mit KI. Der Autor wird zum Dirigenten, während das Talent in präzisen Anweisungen und Prompts liegt. Die Kunst des Schreibens verändert sich grundlegend.
Fragment
Eigener Prompt / Imagen 4
In den nicht mehr so stillen Zünften der moralisierenden Textkritik scheint sich ein neues Betätigungsfeld aufgetan zu haben, die sich einer besonderen Forensik für das digitale Zeitalter widmet. Die Sprachpolizei konzentriert sich bei ihrer Spurensuche auf die unscheinbaren Bindestriche in Texten, um Autoren vorzuführen, die ihre Werke zwar als die eigenen ausgeben, aber für deren Erstellung doch eine generative KI, ein großes Sprachmodell, genutzt zu haben. Was man halt so macht in der postmodernen Langeweile. Ein weiteres Indiz sind die im Deutschen falschen Anführungszeichen, ein verräterisches Artefakt, denn KI wird zum größten Teil mit englischen Texten trainiert. Wer sich die Mühe nicht macht, diese zu ändern, wird eher erwischt – wobei vom ›Erwischen‹ gar nicht mehr die Rede sein sollte.
Vielmehr stehen wir am Anfang einer tiefgreifenden Veränderung. Wir werden uns an eine Art ›Augmentierung‹ des Schreibprozesses gewöhnen müssen. Diese Entwicklung kennt eine Parallele: Ähnlich wie beim Programmieren, wo derzeit einige Verheißungen postuliert werden, wann das Coding nur noch mithilfe von LLMs passiert, überträgt sich diese Veränderungen längst auf den Text. Die Vorstellung des einsamen Autors, der Wort für Wort aus sich herausschöpft, weicht dem Bild des Kurators, des Dirigenten einer maschinellen Intelligenz.
Bislang galt der Satz: »Wer schreibt, liest sich selbst.« Das Schreiben war ein Akt der Selbsterkenntnis, ein Dialog mit den eigenen Gedanken. In vielen Kontexte bleibt das auch so. Hoffentlich. Der kulturelle Shift jedoch, den wir gerade erleben, wird beweisen, dass vieles von dem, was wir als ›schriftstellerisches Talent‹ bezeichneten, in Prompts verschwindet und allenfalls beim Nachbessern wieder zutage tritt. Die Kunst liegt nicht mehr allein in der Formulierung, sondern in der Anweisung; nicht mehr nur im Schaffen, sondern im präzisen Wünschen.
Wer sich übrigens die Mühe macht und seine Anweisungen maschinenlesbar in einen JSON-File gießt, hat es etwas einfacher und kann sich wieder auf den intellektuellen Teil seiner Arbeit konzentrieren. Das heißt, wenn er nicht darauf verzichten möchte, dem ›Team-Mate-KI-Praktikanten‹ ohne Fähigkeit für kritisches Denken, das Generieren von Texten anzuvertrauen.
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