Philosophie
Neue Strategie
Mensch
ID retrokausalitaet
Phase: Neue Strategie
Retrokausalität
Written by: Frank Stratmann
Philosophie
Update from Sep 13, 2025
Retrokausalität ist ein Interpretationsangebot, das den linearen Kausalitätsbegriff infrage stellt. Anstatt Ursache und Wirkung streng zeitlich zu ordnen – Ursache in der Vergangenheit, Wirkung in der Zukunft – deutet Retrokausalität an, dass auch zukünftige Ereignisse die Bedingungen der Vergangenheit beeinflussen können. In der Quantenphysik dient dieses Modell, etwa in Cramers »Transactional Interpretation« oder im »Two-State Vector Formalism« von Aharonov, als Erklärung dafür, warum sich Teilchenverhalten nicht allein aus einer gerichteten Zeitfolge verstehen lässt.
Für die Managementdisziplin der strategischen Vorausschau ist Retrokausalität weniger ein physikalisches Faktum als vielmehr ein Denkanstoß: Zukunft wird nicht einfach durch eine Kette vergangener Ursachen determiniert. Vielmehr wirkt sie als Deutungsrahmen zurück auf die Gegenwart. Szenarien, Narrative und Leitbilder prägen heutige Entscheidungen – sie sind, so könnte man sagen, retrokausale Interventionen, die aus einer vorgestellten Zukunft in die Gegenwart hineinwirken.
Der Satz vom zureichenden Grund – jede Wirkung hat eine Ursache – erklärt nur einen Ausschnitt unserer Wirklichkeit. Er liefert Stabilität für Prognosen, verfehlt aber die Dimension, in der Zukunftserwartungen Handlungsmotive in der Gegenwart sind. Wer strategische Vorausschau betreibt, muss daher anerkennen: Nicht nur die Vergangenheit bestimmt, was geschieht, sondern auch die Vorstellungen einer möglichen Zukunft greifen gestaltend zurück.
Retrokausalität im Sinne der Vorausschau heißt also: Zukunft nicht als deterministischen Zwang, sondern als Möglichkeitsraum zu begreifen. In diesem Raum wird Freiheit nicht durch Kausalität aufgehoben, sondern durch die Vielfalt der narrativen Rückwirkungen überhaupt erst eröffnet.
ID retrokausalitaet
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