Gesundheitskommunikation
Neue Strategie
Medizin
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Phase: Neue Strategie
TI-Messenger (TIM)
Der TI-Messenger (TIM) ist ein sicherer Kommunikationsdienst für das deutsche Gesundheitswesen, der die veraltete Fax- und Papierkommunikation ersetzen soll. Er basiert auf dem dezentralen Matrix-Protokoll, das Interoperabilität, Sicherheit und offene Schnittstellen bietet. TIM ermöglicht Fach- und Patientenkommunikation, wird schrittweise in die elektronische Patientenakte (ePA) integriert und hat das Potenzial, die Zusammenarbeit im Gesundheitswesen zu verbessern. Herausforderungen wie fehlende gesetzliche Verpflichtungen und Bedenken über zusätzlichen Aufwand hemmen jedoch die Akzeptanz.
Written by: Redaktion
Gesundheitskommunikation
Update from Sep 30, 2025
Sicherer Chat für das deutsche Gesundheitswesen
Der TI-Messenger (TIM) ist der offizielle Kommunikationsdienst der deutschen Telematikinfrastruktur. Er soll die veraltete Kommunikation per Fax und Papier schrittweise ablösen und einen sicheren, schnellen und direkten Austausch zwischen allen Akteuren im Gesundheitswesen ermöglichen. Doch obwohl die technische Basis modern und die Vision vielversprechend ist, kämpft der Dienst noch mit Akzeptanzproblemen.
Technologischer Rahmen: Dezentral und interoperabel dank Matrix-Protokoll
Das Herzstück des TI-Messengers ist das offene Matrix-Protokoll. Anstatt auf eine einzige zentrale Plattform zu setzen, funktioniert TIM dezentral. Das bedeutet, verschiedene zugelassene Anbieter betreiben eigene Server (sogenannte »Homeserver«), die über standardisierte Schnittstellen miteinander kommunizieren. Für die Nutzerinnen und Nutzer fühlt es sich wie eine gewöhnliche Messenger-App an, doch im Hintergrund sorgt die dezentrale Architektur für Ausfallsicherheit und digitale Souveränität.
Exkurs: Was das Matrix-Protokoll auszeichnet
Das offene Matrix-Protokoll bildet die technische DNA des TI-Messengers und zeichnet sich durch vier wesentliche Merkmale aus:
Dezentralität: Anstatt eines zentralen Servers gibt es viele miteinander verbundene »Homeserver«. Nachrichten werden zwischen diesen Servern sicher repliziert, sodass die Kommunikation auch dann funktioniert, wenn ein einzelner Server ausfällt. Jeder Teilnehmer sieht dieselben Inhalte, egal bei welchem Anbieter er registriert ist.
Interoperabilität: Der Standard ist darauf ausgelegt, dass verschiedene Apps und Dienste nahtlos zusammenarbeiten. Ein Nutzer mit der App eines Anbieters A kann problemlos mit einem Nutzer kommunizieren, der die App von Anbieter B verwendet.
Sicherheit: Die Kommunikation wird standardmäßig durch das Olm/Megolm-Verfahren Ende-zu-Ende-verschlüsselt. Das stellt sicher, dass Nachrichten nur von den vorgesehenen Empfängern gelesen werden können.
Offene Schnittstellen (APIs): Standardisierte Schnittstellen ermöglichen die Anbindung weiterer Dienste. So können Adressverzeichnisse, Videotelefonie-Lösungen oder automatisierte Bot-Anwendungen einfach in das Ökosystem integriert werden.
Man kann es sich am besten wie eine E-Mail für Chats vorstellen: Alle Teilnehmer können sicher und direkt miteinander Nachrichten austauschen. Hierbei gibt es eine wichtige Unterscheidung: Während Leistungserbringer (Ärzte, Kliniken, Apotheken etc.) ihren TIM-Anbieter aus einer Reihe zugelassener Unternehmen frei wählen können, nutzen Versicherte den Dienst über die ePA-App ihrer jeweiligen Krankenkasse. Dank der Interoperabilität des Systems spielt es für die Kommunikation jedoch keine Rolle, welchen Anbieter die jeweilige Gegenstelle nutzt. Die Kommunikation ist dabei grundsätzlich Ende-zu-Ende-verschlüsselt und DSGVO-konform, sodass die Inhalte ausschließlich für die jeweiligen Kommunikationspartner lesbar bleiben.
Strategischer Stellenwert und Vision
Die Gematik, die für die Digitalisierung des Gesundheitswesens zuständig ist, sieht TIM als ein zentrales, verbindendes Element der Telematikinfrastruktur. Langfristig soll der Messenger eng mit der elektronischen Patientenakte (ePA) verzahnt werden. Die Vision ist es, Kommunikationsflüsse zu digitalisieren, Praxen und Kliniken von administrativem Aufwand zu entlasten und die sektorübergreifende Zusammenarbeit zu verbessern.
Adressierung: Wie finden sich die Teilnehmer?
Eine zentrale Frage für die Funktionalität eines Messengers ist, wie Sender und Empfänger zueinanderfinden. Im TI-Messenger wird dies über einen zentralen Verzeichnisdienst (VZD) gelöst, der als geschütztes Adressbuch für das gesamte deutsche Gesundheitswesen fungiert. Die Adressierung unterscheidet sich jedoch grundlegend zwischen Leistungserbringern und Versicherten.
Für Leistungserbringer (Ärzte, Kliniken etc.): Professionelle Teilnehmer sind mit ihrer digitalen Identität (z. B. dem elektronischen Heilberufsausweis, HBA) im Verzeichnisdienst registriert. Sie besitzen eine feste TIM-Adresse, unter der sie von anderen berechtigten Teilnehmern gefunden und kontaktiert werden können.
Für Versicherte (Patienten): Die Teilnahme für Versicherte erfolgt ausschließlich über die ePA-App ihrer Krankenkasse. Sie erhalten keine separate TIM-Adresse, die sich jeder merken oder verwalten müsste. Stattdessen dient ihre lebenslang gültige Krankenversichertennummer (KVNR) als eindeutiger, technischer Identifikator im Hintergrund. Ein Arzt kann einen Patienten nicht willkürlich im Verzeichnis suchen. Die Kommunikation wird in der Regel vom Versicherten im Rahmen einer bestehenden Behandlung initiiert. Wählt ein Patient in seiner ePA-App den behandelnden Arzt aus und sendet eine Nachricht, wird diese über die KVNR eindeutig zugeordnet, sodass die Praxis sicher sein kann, von wem die Anfrage stammt.
Konkrete Anwendungsfälle
Der TI-Messenger ist für verschiedene Kommunikationsszenarien konzipiert:
Fachkommunikation: Ärzte, Krankenhäuser, Apotheken und Pflegeeinrichtungen können sich schnell und sicher über Befunde, Medikationspläne oder Rückfragen austauschen.
Patientenkommunikation: Ab Juli 2025 sollen Krankenkassen den TI-Messenger schrittweise in ihre ePA-Apps integrieren. Versicherte können dann direkt Dokumente, Fotos oder Nachrichten sicher an ihre behandelnden Ärzte senden.
Pflege: In Modellregionen wird bereits erprobt, wie TIM die Abstimmung zwischen Pflegekräften, Ärzten und Therapeuten vereinfachen kann.
Benutzeroberfläche: Wie greifen professionelle Nutzer zu?
Für professionelle Teilnehmer ist entscheidend, dass der TI-Messenger keine separate, isolierte Anwendung darstellt, die den Arbeitsablauf stört. Das primäre Ziel ist daher die tiefe Integration in die bereits etablierten Softwaresysteme – ein Prozess, der schon aktiv umgesetzt wird:
In Arztpraxen: Integration in das Praxisverwaltungssystem (PVS).
In Krankenhäusern: Anbindung an das Krankenhausinformationssystem (KIS).
In Apotheken: Einbindung in das Apothekenverwaltungssystem (AVS).
Dadurch können Nachrichten direkt aus der gewohnten Arbeitsumgebung heraus gesendet und empfangen werden, idealerweise mit direktem Bezug zu Patientendaten. Dies soll Medienbrüche vermeiden und den administrativen Aufwand minimieren. Je nach Anbieter und dessen Zulassung können alternativ auch eigenständige Desktop-Anwendungen oder Web-Oberflächen zum Einsatz kommen, der Fokus liegt jedoch klar auf der nahtlosen Integration. Perspektivisch ist darüber hinaus die Anbindung von KI-gestützten Funktionen geplant, die beispielsweise bei der Triage von Anfragen unterstützen könnten.
Stand der Einführung und Roadmap
Die Einführung des TI-Messengers erfolgt schrittweise und orientiert sich an einer klaren Roadmap:
Ende 2022 / Anfang 2023 (TIM 1.0): Offizieller Start des TI-Messengers mit Fokus auf die reine Fachkommunikation. In dieser Phase wurden die technischen Grundlagen geschaffen und die ersten Anbieter für den Markt zugelassen.
Ab Juli 2025 (Integration in die ePA): Dies ist der entscheidende Meilenstein. Krankenkassen werden verpflichtet, ihren Versicherten die TIM-Nutzung über die ePA-App zu ermöglichen. Damit wird die breite und sichere Kommunikation zwischen Patienten und Leistungserbringern freigeschaltet.
Zukunft (unbestimmt): Spätere Versionen (z. B. unter dem Arbeitstitel TIM-Pro) sollen erweiterte Funktionen wie Gruppenchats für die Fallbesprechung oder Videotelefonie einführen. Der genaue Zeitplan hierfür ist jedoch noch offen.
Bilanz von TIM 1.0 und Ausblick
Der Erfolg der ersten Phase (TIM 1.0) lässt sich weniger in hohen Nutzerzahlen als vielmehr in der Schaffung der notwendigen Grundlagen messen. Belastbare, flächendeckende Nutzungsstatistiken sind kaum verfügbar, und die Akzeptanz unter professionellen Anwendern ist, wie erwartet, noch verhalten.
Der eigentliche Erfolg von TIM 1.0 liegt in folgenden Punkten:
Schaffung eines Anbietermarktes: Es gibt mittlerweile eine wachsende Zahl von der Gematik zugelassener TIM-Anbieter, was den Wettbewerb und die Wahlfreiheit für Leistungserbringer sicherstellt. Eine tagesaktuelle und vollständige Liste aller zugelassenen Anbieter wird von der Gematik im Fachportal bereitgestellt.
Etablierung der Infrastruktur: Die dezentrale, interoperable und sichere technische Basis auf Matrix-Standard ist etabliert und funktionsfähig. Das Fundament für die Skalierung ist gelegt.
Der Ausblick konzentriert sich vollständig auf die ePA-Integration ab Mitte 2025. Dieser Schritt gilt als der entscheidende Katalysator für den Erfolg des Messengers. Mit der gesetzlichen Verpflichtung werden Millionen von Versicherten potenziell zu aktiven Nutzern. Dieser massive Zuwachs soll den entscheidenden Netzwerkeffekt erzeugen: Sobald Praxen und Kliniken vermehrt Anfragen über TIM erhalten, steigt der Anreiz, den Dienst aktiv in die eigenen Arbeitsabläufe zu integrieren. Erst wenn diese kritische Masse erreicht ist, wird sich der volle Nutzen des TI-Messengers entfalten und die Weiterentwicklung um erweiterte Funktionen sinnvoll.
Herausforderungen: Warum die Akzeptanz noch gering ist
Trotz der Vorteile wird der TI-Messenger bisher nur zögerlich angenommen. Die Gründe dafür sind vielfältig:
Keine gesetzliche Verpflichtung: Anders als bei der E-Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU) oder dem E-Rezept gibt es keine Pflicht zur Nutzung.
Unklare Vergütung: Die Abrechnung und Finanzierung des Dienstes sind für viele Praxen bisher nicht transparent genug.
Sorge vor Mehraufwand: Medizinisches Personal befürchtet eine zusätzliche Belastung durch eine Flut an Patientenanfragen, die den Arbeitsalltag stören könnte.
Geringe Netzwerkeffekte: Ein Messenger ist nur dann nützlich, wenn die wichtigsten Kommunikationspartner ebenfalls teilnehmen. Solange die Verbreitung gering ist, bleibt der Anreiz zum Umstieg niedrig.
Grenzen und offene Fragen
Der TI-Messenger ist bewusst auf den Kreis der medizinischen Leistungserbringer und Versicherten beschränkt, um Sicherheit und Datenschutz zu gewährleisten. Das schließt jedoch private Gruppen, wie Selbsthilfegruppen, von der Nutzung aus.
Um Praxen vor einer unkontrollierten Kontaktaufnahme zu schützen, setzt TIM auf Rollen- und Berechtigungskonzepte. Dennoch wird die Einführung von TIM auch kulturelle Anpassungen erfordern, da etablierte Kommunikationshierarchien – etwa der direkte Draht zwischen Pflegekraft und Facharzt – aufgebrochen werden könnten.
Letztlich wird der Erfolg des TI-Messengers davon abhängen, ob es gelingt, ihn nahtlos in bestehende Arbeitsabläufe zu integrieren und einen klaren Mehrwert ohne zusätzlichen Aufwand für die Anwender zu schaffen.
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