Die unsichtbare Hand der Forschung wird durch Kürzungen bedroht, was Innovationskraft und akademische Freiheit in den USA gefährdet.
Bei einer kürzlich stattgefundenen Ion-Veranstaltung diskutierten der Präsident der Rice University Reginald DesRoches → und der Präsident der ASU Michael M. Crow → darüber, wie Forschungsuniversitäten Innovation und Wirtschaftswachstum vorantreiben und gleichzeitig die Wettbewerbsfähigkeit der USA durch Bildung und wissenschaftliche Entdeckungen stärken.
Eine Aussage von Michel M. Crow, Präsident der Arizona State University (ASU) beleuchtete einen kritischen Widerspruch in der aktuellen US-amerikanischen Wissenschafts- und Innovationslandschaft.
Während technologische Innovatoren wie Elon Musk und Steve Jobs als Genies gefeiert werden, bleibt die grundlegende akademische Forschung, die ihre Erfolge überhaupt erst ermöglicht, weitgehend unsichtbar.
Diese Diskrepanz gewinnt angesichts der jüngsten Entwicklungen unter der Trump-Administration besondere Brisanz. Massive Kürzungen von Forschungsgeldern einerseits und die Gründung des »Department of Government Efficiency« (DOGE) andererseits stellen die wissenschaftliche Gemeinschaft vor existenzielle Herausforderungen. Dieser Bericht untersucht die Spannung zwischen Crows Betonung der wissenschaftlichen Grundlagenarbeit und den aktuellen politischen Maßnahmen, die die Wissenschaftsfreiheit zunehmend einschränken.
Die Veranstaltung am Baker Institute for Public Policy, bei der Michael Crow diese Aussagen getätigt → hat, fand am 24. Februar 2025 statt →.
Die unsichtbare Hand der akademischen Forschung
Michel Crow argumentiert überzeugend, dass hinter jedem technologischen Durchbruch wie dem iPhone oder den Innovationen von Tesla und SpaceX tausende akademische Forschungsgruppen stehen, deren Beiträge meist unbemerkt bleiben. In seiner Rede beim Baker Institute for Public Policy hebt er hervor, dass »es keinen Aspekt dieses iPhone 16 gibt, der nicht irgendwann durch akademische Forschung und technologische Entwicklung maßgeblich vorangetrieben und ermöglicht wurde.« Seine Schätzung von etwa 5.000 Forschungsgruppen, die über Jahrzehnte zur Entwicklung der im iPhone enthaltenen Technologien beigetragen haben, verdeutlicht die massive kollektive Forschungsleistung, die hinter solchen Produkten steht.
Diese akademische Grundlagenforschung umfasst nicht nur die Halbleitertechnologie mit Milliarden von Transistoren auf einem Chip, sondern reicht von Materialwissenschaften (Gorilla-Glas) über Batterietechnologie bis zu komplexen Softwaresystemen. Crow charakterisiert die akademische Forschung als »unsichtbare Hand« – eine treffende Metapher für eine Kraft, die zwar entscheidend wirkt, aber selten die verdiente Anerkennung erhält. Im Gegensatz zur Adam Smith »unsichtbarer Hand des Marktes« kann hier tatsächlich nachgewiesen werden, dass geforscht wurde und es Mitspieler des wissenschaftlichen Betriebs gibt, die den Erfolg vieler TEX erst ermöglicht haben. Teils Jahrzehnte vor der Unternehmensgründung.
Die wahre Leistung von Unternehmern wie Jobs und Musk liegt nach Crow also nicht in der Erfindung grundlegender Technologien, sondern in der »Integration, Design, Organisation« bestehender wissenschaftlicher Erkenntnisse. Diese Neuausrichtung des Innovationsnarrativs ist entscheidend für ein angemessenes Verständnis des Verhältnisses zwischen Grundlagenforschung und kommerzieller Anwendung.
Trumps Forschungskürzungen: Ein Angriff auf die Innovationsbasis
Die aktuelle US-Administration unter Präsident Donald Trump hat massive Kürzungen in zahlreichen Forschungsbereichen vorgenommen, die in direktem Widerspruch zu Crows Betonung der wissenschaftlichen Grundlagenarbeit stehen. Diese Kürzungen betreffen insbesondere die Klima- und Umweltforschung sowie medizinische Forschungsgebiete, was bei Wissenschaftlern weltweit Alarm ausgelöst hat →.
Die Folgen dieser Einschnitte sind gravierend: Wichtige Studien zu Krankheiten wie Alzheimer, Krebs und Diabetes wurden auf Eis gelegt →. Die Leiter der US-Umweltschutzbehörde EPA äußerten ihre Besorgnis mit deutlichen Worten: »Wir befürchten, dass unsere Behörde unfähig wird, die Amerikaner vor ernsten Bedrohungen aus der Luft, Wasser und unserem Boden zu schützen« →. Diese Aussage unterstreicht die weitreichenden gesellschaftlichen Konsequenzen der Forschungskürzungen.
Der Präsident der deutschen Max-Planck-Gesellschaft, Patrick Cramer, analysiert die Situation noch schärfer und wirft der Trump-Administration vor, sie wolle »die Wissenschaft kontrollieren« und »unliebsame Forschungsfelder zurückfahren« →. Diese Einschätzung deutet auf einen fundamentalen Konflikt zwischen politischer Kontrolle und wissenschaftlicher Freiheit hin, der weit über bloße Budgetfragen hinausgeht.
Die DOGE-Initiative: Effizienz auf Kosten der Forschung?
In diesem gespannten Klima wurde das „Department of Government Efficiency" (DOGE) ins Leben gerufen – eine Initiative von Elon Musk, unterstützt durch Donald Trump. Das erklärte Ziel von DOGE ist die Verbesserung der Effizienz der US-Bundesregierung durch technologische Modernisierung →. Die Behörde plant, veraltete Systeme zu erneuern und Prozesse zu optimieren, wobei Elon Musk als treibende Kraft hinter diesen Maßnahmen gilt →.
Die Ironie dieser Konstellation ist frappierend: Während Crow betont, dass Musks technologische Erfolge bei Tesla und SpaceX maßgeblich auf akademischer Forschung basieren (»all das ist das Ergebnis akademischer Forschung«), ist Musk nun an einer Initiative beteiligt, die im Kontext der allgemeinen Forschungskürzungen steht. Es stellt sich die Frage, ob die angestrebte »Effizienz« langfristig zulasten jener Grundlagenforschung gehen wird, die künftige Innovationen erst ermöglicht.
Bezeichnenderweise nutzt das DOGE-Department das Logo der Kryptowährung Dogecoin, was nach der Veröffentlichung der offiziellen Website zu einem kurzfristigen Kursanstieg von mehr als 11 Prozent führte →. Dieser Umstand verdeutlicht die starke symbolische und wirtschaftliche Wirkung von Musks Aktivitäten, wirft aber auch Fragen nach möglichen Interessenkonflikten auf.
Rechtliche Herausforderungen für DOGE
Die DOGE-Initiative sieht sich bereits mit rechtlichen Herausforderungen konfrontiert. Die Organisation »National Security Counselors« hat eine Klage eingereicht, in der sie DOGE vorwirft, gegen das Federal Advisory Committee Act (FACA) zu verstoßen →. Dieses Gesetz schreibt vor, dass Beratungsgremien der Regierung bestimmte Transparenzvorschriften einhalten müssen. Kritiker bemängeln, dass DOGE nicht genügend Informationen über Sitzungen und Entscheidungsprozesse offenlegt und dass die Zusammensetzung des Teams nicht den gesetzlichen Anforderungen entspricht →.
Diese rechtlichen Einwände deuten auf grundlegende Bedenken hinsichtlich der Transparenz und Rechenschaftspflicht der Initiative hin. Zudem verlor das Projekt kürzlich einen wichtigen Berater, Vivek Ramaswamy, der seinen Rückzug erklärte, um sich auf eine Kandidatur als Gouverneur von Ohio zu konzentrieren →.
Internationale Reaktionen und wissenschaftlicher Exodus
Die Entwicklungen in den USA haben bereits messbare Auswirkungen auf die internationale Wissenschaftsgemeinschaft. Verschiedene wissenschaftliche Akademien aus 40 europäischen Ländern haben einen gemeinsamen Brief verfasst, in dem sie ihre Besorgnis über die Situation zum Ausdruck bringen. Auch die Akademien der Wissenschaften Schweiz haben dieses Dokument unterzeichnet →.
Yves Flückiger, Präsident der Akademien der Wissenschaften Schweiz, betont in diesem Zusammenhang die Notwendigkeit, dass Hochschulen weltweit »ihre unerschütterliche Unterstützung für die akademische Freiheit, als Grundlage für künftige Innovationen und als unabdingbare Voraussetzung für den Kampf gegen Fake News zeigen«. Seine Aussage unterstreicht den Zusammenhang zwischen wissenschaftlicher Freiheit und Innovationsfähigkeit, der auch in Crows Argumentation zentral ist.
Bemerkenswert ist, dass europäische Forschungseinrichtungen bereits einen Anstieg an Bewerbungen aus den USA verzeichnen. Die ETH Zürich berichtet von »vermehrten Kontaktaufnahmen von in den USA tätigen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die aufgrund der aktuellen Situation einen Wechsel in Betracht ziehen« →. Ähnliches berichtet das Swiss Tropical and Public Health Institute (Swiss TPH) in Basel, das einen »steilen Anstieg an Bewerbungen aus den USA« feststellt. Konkret erhielt das Institut von Januar 2025 bis zum Berichtszeitpunkt »bereits mehr als die Hälfte der Anzahl an Bewerbungen von Amerikanerinnen und Amerikanern im Vergleich zum Jahresschnitt der Jahre 2022, 2023 und 2024«.
Diese Abwanderungstendenz amerikanischer Wissenschaftler könnte langfristig die Innovationsfähigkeit der USA schwächen – eine Entwicklung, die im direkten Widerspruch zu Crows Betonung der Bedeutung akademischer Forschung für technologischen Fortschritt steht.
Globale Auswirkungen der US-Politik
Die Auswirkungen der Forschungskürzungen beschränken sich nicht auf die USA selbst, sondern haben bereits globale Folgen. Jürg Utzinger, Direktor des Swiss TPH, berichtet, dass der Finanzierungsstopp der USAID und die Verschiebung der Prioritäten bei den Geldgebern bereits konkrete Auswirkungen auf wichtige internationale Programme haben. So seien Projekte in Tansania und der Ukraine von starken Budgetkürzungen betroffen, mit der Folge, dass »Millionen Menschen, die auf HIV-Behandlungen, Malariaprävention oder die Bekämpfung vernachlässigter Tropenkrankheiten angewiesen sind, […] auf der Strecke [bleiben]« →.
Diese globalen Auswirkungen verdeutlichen, dass Einschränkungen der wissenschaftlichen Forschung nicht nur theoretische oder lokale Konsequenzen haben, sondern konkrete humanitäre Folgen für Menschen weltweit.
Schlussfolgerung: Das Paradox der Innovation ohne Forschung
Der Widerspruch zwischen Michel Crows Betonung der Bedeutung akademischer Forschung für Innovationen und den aktuellen Einschränkungen der wissenschaftlichen Arbeit in den USA offenbart ein grundlegendes Paradox: Während Persönlichkeiten wie Elon Musk für ihre innovativen Produkte gefeiert werden, werden die wissenschaftlichen Grundlagen, auf denen diese Innovationen basieren, systematisch geschwächt.
Die DOGE-Initiative verdeutlicht diesen Widerspruch besonders prägnant: Elon Musk, dessen technologische Erfolge laut Crow maßgeblich auf akademischer Forschung basieren, ist nun an einer Initiative beteiligt, die im Kontext allgemeiner Forschungskürzungen steht. Die Frage, wie langfristige Innovation ohne entsprechende Grundlagenforschung möglich sein soll, bleibt unbeantwortet.
Internationale Reaktionen auf die US-Politik zeigen, dass die wissenschaftliche Gemeinschaft diese Entwicklungen mit großer Sorge betrachtet. Die zunehmende Abwanderung amerikanischer Wissenschaftler könnte langfristig zu einer Verlagerung wissenschaftlicher Exzellenz aus den USA nach Europa führen.
Michel Crows Metapher von der »unsichtbaren Hand« der akademischen Forschung gewinnt in diesem Kontext besondere Bedeutung: Die Gefahr besteht, dass diese Hand nicht nur unsichtbar bleibt, sondern zunehmend gelähmt wird – mit potenziell gravierenden Folgen für zukünftige Innovationen. Die Einschränkungen, die die Wissenschaft in den USA durch DOGE und die Forschungskürzungen erfährt, stellen somit nicht nur eine unmittelbare Bedrohung für die akademische Freiheit dar, sondern gefährden langfristig auch die technologische Wettbewerbsfähigkeit des Landes.