Weltbild & Ideologie
Update vom 22.03.2025
Der Vorstoß des Meta-Konzerns, KI-generierte Instant-Kommentare auf Instagram einzuführen, wirft tiefgreifende ethische Fragen auf. Der unter dem eleganten Namen Community-Notes getarnte Schritt droht, die ohnehin schon fragile Balance zwischen digitaler Interaktion und menschlicher Selbstbestimmung weiter zu verschieben.
Dieser Beitrag ist Teil eines größeren konstitutiven Diskurses zur Verwendung KI-generierter Inhalte und ihres Kontexts. Von künstlicher Intelligenz generierte Inhalte können ein Gesprächsangebot sein. Auch dieser Beitrag enthüllt Spuren davon. Im Falle von Community-Notes liegt der Fall anders und das beginnt mit der Form der bereitgestellten Technik.
Die Kernproblematik liegt hier in der potenziellen Verlagerung von intentionalem, inhaltlichem Austausch hin zu einer bloßen, repetitiven Klickökonomie.
Statt durchdachter, individueller Äußerungen, die aus der persönlichen Auseinandersetzung mit Inhalten entstehen, werden Nutzer dazu verleitet, vorgefertigte, algorithmisch generierte Kommentare zu verbreiten. Dies untergräbt die selbstbestimmte Autorschaft und Authentizität digitaler Kommunikation.
Der hierdurch drohende Verlust an selbstbestimmter Meinungsäußerung und die Förderung einer Kultur der oberflächlichen, algorithmisch getriebenen Interaktion ist ein klarer Rückschritt für einen gesunden digitalen Humanismus.
Anstatt eines weiteren Schrittes in Richtung einer algorithmisch durchdrungenen Lebenspraxis, die uns weiter voneinander entfremdet, bedarf es einer bewussten Hinwendung zu digitalen Räumen, die von menschlicher Intention und inhaltlicher Tiefe geprägt sind. Die Entwicklung von KI sollte als Werkzeug zur Förderung des Dialogs und nicht zur Ersetzung desselben verstanden werden.
Es bleibt essenziell, dass wir uns gegen Tendenzen wehren, die unsere digitale Kommunikation weiter entmenschlichen. Wir müssen uns für eine Zukunft einsetzen, in der Technologie dazu dient, unsere zwischenmenschliche Verbindung zu stärken, anstatt sie zu untergraben.
Die Technologie und ihre Implikationen
Meta führt derzeit die beschriebene Funktion namens »Write with Meta AI« ein, die es Nutzern ermöglicht, KI-generierte Kommentarvorschläge für Instagram-Beiträge zu erhalten. Nutzer sehen ein Bleistiftsymbol neben dem Texteingabefeld, können dieses antippen und erhalten daraufhin drei automatisch generierte Kommentarvorschläge basierend auf der KI-Analyse des Bildes oder Videos→. Beispielsweise könnte für ein Foto einer Person in ihrem Wohnzimmer die KI Kommentare wie »Süße Wohnzimmergestaltung«, »Liebe die gemütliche Atmosphäre« oder »Tolle Kulisse für ein Fotoshooting« vorschlagen →. Sollten diese Vorschläge nicht zusagen, können weitere Alternativen generiert werden.
Diese Entwicklung reiht sich ein in Metas umfassendere Strategie, KI-Funktionen in alle seine Plattformen zu integrieren – von Reels-Übersetzungen über automatische Kommentare bis zu Profilbildoptimierungen →.
Dabei soll Meta AI zum meistgenutzten KI-Assistenten der Welt avancieren, mit bereits über 700 Millionen monatlich aktiven Nutzern →.
Verschiebung der Intentionalität und Authentizität
Gespräche, wie sie Menschen mit Menschen als Menschen führen, haben sich seit einiger Zeit auch in digitale Sphären verschoben.
In diesem nicht materiellen Raum herrscht derzeit primär eine Hysterie um Klickzahlen, Aufenthaltsdauer von Nutzern auf Plattformen und Werbeerfolge. Social Media ist zum gigantischen Diskursraum explodiert. Auch politische Meinungs- und Willensbildung verlagert sich. Die Auswirkungen auf die mit viel Geld arrangierte Durchdringung des Diskurses mit fragwürdigen Motiven beschäftigt uns nicht erst seit der Bundestagswahl 2025.
Mit der Einführung von KI-generierten Kommentaren verschiebt sich die geteilte Intentionalität beim kommunikativen Handeln vom Inhalt auf das repetitive Klicken vorformulierter Aussagen.
Dies stellt einen fundamentalen Eingriff in die kommunikative Handlungsfähigkeit des Menschen dar. Wenn Nutzer nicht mehr selbst formulieren, was sie denken, sondern aus Gründen der Convenience vorgefertigte Inhalte verbreiten, wird die Authentizität menschlicher Kommunikation untergraben.
Die Algorithmizität als Bedrohung praktischer Vernunft
Die Kultur der Digitalität ist geprägt durch Algorithmizität – technologische Prozesse, die mit sozialen Prozessen in einem engen Wechselverhältnis stehen →. Algorithmen werden zunehmend dynamisch und greifen in vermeintlich kreative Bereiche ein, wie das Verfassen automatischer Texte →. Dies führt zu einer Situation, in der »die Welt nicht mehr repräsentiert, sondern für jeden User eigens generiert und anschließend präsentiert« wird →.
Diese algorithmische Vermittlung der Realität untergräbt den Anspruch praktischer Vernunft, dass Menschen als autonome Subjekte handeln sollten. Wenn die Kommunikation durch KI-Vorschläge vermittelt wird, entfernen wir uns vom Ideal eines authentischen Austauschs zwischen Menschen.
Autorschaft und Selbstbestimmung in Gefahr
KI-generierte Instant-Kommentare diskreditieren die Autorschaft der Nutzer im Sinne der Selbstbestimmung. Man gedenkt nicht mehr zu schreiben, was man denkt, sondern verbreitet mit einem Wisch die von einer Plattform vorgegebenen Inhalte. Dies ist Antirealismus in seiner reinsten Form – eine Absage an die Idee, dass unsere sprachlichen Äußerungen eine authentische Verbindung zu unseren Gedanken und Überzeugungen darstellen sollten.
Ökonomisierung menschlicher Interaktion
Die Motivation hinter dieser Entwicklung ist offensichtlich: Meta möchte »die dadurch gewonnenen Inventare und Interaktionsräume langfristig auch monetär nutzen« →. Es geht nicht primär um die Verbesserung menschlicher Kommunikation, sondern um die Steigerung von Engagement-Metriken und letztlich um Profit.
Diese Ökonomisierung menschlicher Interaktion reduziert soziale Beziehungen auf ihren instrumentellen Wert. Wie CFO Susan Li im Earnings Call erklärte, sieht Meta in der KI-Integration Potenzial zur monetären Nutzung →.
Für einen digitalen Humanismus
Die ethischen Herausforderungen sind gravierend: Darf Technik alles, was sie kann? Wird die Privatsphäre online ein beliebiges, frei zugängliches und verwendbares Gut? Sind digitale Angebote süchtig machend und marktorientiert programmiert oder unterstützen sie psychisches und soziales Wohlbefinden? →
Wir benötigen mehr digitalen Humanismus und nicht noch mehr Algorithmizität, die unsere Lebenspraxis durchseucht und uns weiter voneinander entfernt.
Das bloße Nachahmen erfolgreicher Modelle verarmt unsere digitale Kultur. Es funktionieren noch andere Dinge, die wir finden könnten, um anders erfolgreich zu werden. Als Unternehmen im Sinne der Menschheit.
Der Appell an Entwicklerteams und Nutzer muss lauten:
Bitte kein weiteres TikTok für diesen Planeten. Kulturell ist das in etwa so interessant wie die Rückseite des Mondes.
Schlussfolgerung
Die KI-generierten Kommentare von Meta stellen einen weiteren Schritt in der Entfremdung des Menschen von authentischer Kommunikation dar. Wenn überhaupt, sollten KI-generierte Inhalte ein Gesprächsangebot sein, das eine erkennbare menschliche Intention enthält, nicht aber ein Ersatz für diese.
Eine beträchtliche Anzahl von Nutzern sehnt sich nach einer Zeit, als Instagram authentischer und weniger leistungsorientiert war →. KI-generierte Kommentare könnten als unecht und unnötig angesehen werden – und das zu Recht. Im Sinne praktischer Vernunft müssen wir auf einer Kommunikation bestehen, die von Menschen für Menschen gestaltet wird und die unsere Autonomie und Würde als Menschen respektiert.
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