Lanz & Precht – Litaneien aus der Kemenate
Lanz & Precht diskutieren aktuelle gesellschaftliche Themen, von Politik über Philosophie bis zu Wirtschaftsfragen, in ihrem Podcast.
Text from:Frank Stratmann
BTBLGR-LIT-6
Update from 4/10/25
Podcast Links
Das Duo aus Litanei-Beauftragten und philosophisch informierten Journalisten gehört für viele zum Ritual am Freitag. Ein wenig ist das wie beim Fußball. Man muss den Podcast gehört haben, um mitreden zu können. Was mir aufgefallen ist, lege ich unter der jeweiligen Überschrift ab.
Richard, wo erreiche ich Dich?
Parallel dazu habe ich den Podcast von Ingmar Stadelmann und Andreas Loff entdeckt. Die beiden dampfen jede Folge mit satirischem Einschlag zusammen. Wer das lieber mag. Witzig ist das allerdings nur, wenn man das Original gehört hat.
Lanz & Precht (188)
Donnerstag, 10. April 2025 über Das Ende des amerikanischen Zeitalters
Markus Lanz verpasst in dieser Woche die redaktionelle Begleitung des Koalitionsvertrags zwischen CDU und SPD. Seine ZDF-Sendung Lanz beschäftigte sich mit liegen gebliebenen Themen, die allesamt sicher bedeutungsvoll waren. Anscheinend ist er auf dem Weg nach Syrien für eine Reportage rund um die emotionale Aufarbeitung von Hoffnungen, die zur Flucht führen. Wer steckt hinter den Narrativen, dass es in Europa besser wird und was sind die sozialen Ursachen, die derzeit beiderseitig für Enttäuschung sorgen? Europa, das sich überfordert fühlt und subjektive Hoffnungen, die unerfüllt bleiben.
Zur Folge 188 ihres gemeinsamen Podcasts Lanz und Precht habe ich einige Notizen mit dieser App erstellt und anschließend hier aufbereitet.
Die Frage nach dem Ende des amerikanischen Zeitalters unter Trump, wobei Precht bezweifelt, dass Trump die USA bewusst provinzialisieren will. Ist Trumps politisches Handeln reines Chaos oder eine kalkulierte Strategie? Seine scheinbar widersprüchlichen Aktionen und Äußerungen werfen die Frage auf, ob es sich um planlose Willkür oder eine gezielte Strategie der Destabilisierung handelt. Die Vermischung von persönlichen Geschäftsinteressen und politischer Macht deutet auf ein patrimoniales Staatsverständnis hin. Die Übernahme kapitalistischer Prinzipien auf das Lenken von Staaten wird wahrscheinlicher. Erwartbar bleibt eine langfristige Transformation der amerikanischen Demokratie. Trumps Handeln könnte auf eine systematische Umgestaltung des politischen Systems abzielen – weg von liberaldemokratischen Institutionen, hin zu einem autoritären, personenzentrierten Herrschaftssystem. Die wiederholten Angriffe auf demokratische Institutionen, Medien und das Rechtssystem folgen dabei einem erkennbaren Muster. Seine »America First«-Politik könnte mehr als nur Wahlkampfrhetorik sein – sie deutet auf eine grundlegende Neuausrichtung der amerikanischen Außenpolitik hin, die endgültig das Ende der liberalen Weltordnung der Nachkriegszeit einläuten könnte.
Die tiefe transatlantische Prägung deutscher Führungskräfte und die emotionale Schwierigkeit, sich von der US-Abhängigkeit zu lösen, macht uns Schwierigkeiten. Die Generation der heutigen Führungskräfte in Politik und Wirtschaft wurde maßgeblich durch die Nachkriegsordnung und den Kalten Krieg geprägt. Ihre berufliche Sozialisation fand in einer Zeit statt, in der die USA als unumstrittene Führungsmacht des Westens galten. Diese transatlantische Prägung manifestiert sich in gemeinsamen Werten, Netzwerken und Institutionen wie dem German Marshall Fund, den Young Leaders Programmen oder der Atlantik-Brücke. Viele dieser Führungskräfte zeigen sich heute irritiert angesichts der Notwendigkeit, eigenständige europäische Positionen zu entwickeln. Die emotionale Bindung an die USA und die jahrzehntelange Orientierung an amerikanischen Vorbildern erschweren die strategische Neuausrichtung. Dies wird besonders deutlich in Fragen der Sicherheitspolitik, der technologischen Souveränität und der wirtschaftlichen Verflechtungen mit China.
Die transatlantische Prägung der Nachkriegszeit zeigt sich besonders deutlich an neuralgischen Punkten der Geschichte. Nach dem 11. September 2001 folgte Europa weitgehend der US-Linie im »Krieg gegen den Terror«, mit Ausnahme der deutschen Haltung zum Irak-Krieg unter Schröder. Während der Finanzkrise 2008/2009 orientierte sich die europäische Krisenpolitik stark an US-amerikanischen Lösungsansätzen. Der Kalte Krieg hatte eine tiefe transatlantische Bindung geschaffen, die sich in der politischen und wirtschaftlichen Abhängigkeit Europas von den USA manifestierte. Diese historisch gewachsene Orientierung macht es für europäische Führungskräfte heute emotional schwierig, sich von der US-Abhängigkeit zu lösen, wie sich in den stockenden Versuchen einer eigenständigen europäischen Verteidigungspolitik zeigt.
Warnung vor einem aufkommenden Nationalismus in Europa als Reaktion auf den amerikanischen Rückzug. Die zunehmende Angst vor dem amerikanischen Rückzug führt zu einer Renaissance des Nationalismus in Europa, wobei die transatlantische Prägung deutscher Führungskräfte eine emotionale Anpassung erschwert. Das Konzept eines Europas der zwei Geschwindigkeiten überträgt sich nicht nur auf wirtschaftliche Zusammenhänge, sondern auch auf die geopolitische Handlungsfähigkeit. Es spiegelt sich primär in den wirtschaftlichen Ungleichheiten wider und droht jetzt in Nationalismen zu zergliedern. Während einige Länder wie Schweden hohe Standards und geringe soziale Gefälle aufweisen, kämpfen andere, besonders neue EU-Mitgliedsstaaten, mit größeren Ungleichheiten. Auch hier dürfen wir die Bedeutung der unterschiedlichen europäischen Prägungen mit manchmal nur wenigen hundert Kilometern zwischen den Empfindungen nicht unterschätzen. Der Nationalstaat wird zunehmend als einzige verbliebene Instanz für sozialen Ausgleich gesehen, da die EU-Politik der vergangenen Jahre hauptsächlich für Globalisierung und Liberalisierung stand, von der vorwiegend Eliten profitierten. Diese Entwicklungen verdeutlichen die Herausforderung für Europa, zu neuen Erzählungen zu kommen und neue Überzeugungen zu entwickeln – eines, das zwischen naiver Kooperationsbereitschaft und moralischer Überheblichkeit einen dritten Weg findet. Die Wahlergebnisse in verschiedenen europäischen Ländern zeigen bereits die Auswirkungen dieser Spannungen.
Die Problematik der Staatsverschuldung und ihre Auswirkungen auf die nationale Souveränität. Adam Ferguson (1723–1816) warnte vor den Gefahren der Staatsschuld als Mittel der Kriegsfinanzierung. Er sah, dass hohe Zinszahlungen die Verteidigungsfähigkeit eines Staates schwächen können, da sie Ressourcen von militärischen Ausgaben abziehen. Der schottische Aufklärungsphilosoph betonte, dass eine nachhaltige Staatswirtschaft die Grundlage für die militärische Stärke und Unabhängigkeit einer Nation ist. Seine Überlegungen sind relevant für die aktuelle Debatte über Staatsschulden und Verteidigungsausgaben, da sie die enge Verbindung zwischen fiskalischer und militärischer Stabilität aufzeigen
Das Tainter-Szenario – die These, dass Imperien zusammenbrechen, wenn die Kosten den Nutzen übersteigen. Joseph Tainters Hauptthese in The Collapse of Complex Societies ist, dass Gesellschaften mit zunehmender Komplexität steigende Kosten für die Aufrechterhaltung ihrer Strukturen haben. Anfangs bringt Komplexität (wie Spezialisierung, Bürokratie, soziale Hierarchien) positive Renditen, aber ab einem gewissen Punkt übersteigen die Kosten den Nutzen. Der Kollaps ist dann keine Wahl, sondern eine ökonomische Notwendigkeit – die Gesellschaft vereinfacht sich, weil sie sich die Komplexität nicht mehr leisten kann. Besonders relevant ist Tainters Beobachtung, dass Gesellschaften oft in eine Komplexitätsfalle geraten: Sie reagieren auf Probleme mit noch mehr Komplexität (neue Institutionen, Regeln, Hierarchien), was kurzfristig hilft, aber langfristig die Grundproblematik verschärft. Diese Analyse ist besonders interessant für die aktuelle Situation Europas und der USA, wo wachsende bürokratische und militärische Strukturen immense Ressourcen verschlingen.
Die Diskussion der beiden zeigt deutlich die komplexen Herausforderungen für Europa in einer Zeit, in der sich die traditionelle Weltordnung fundamental verändert.
Lanz & Precht (186)
Freitag, 28. März 2025, über das Lohnenswerte von Arbeit.
Das Gespräch zwischen Markus Lanz und Richard David Precht konzentriert sich auf aus meiner Sicht drei wichtige Aspekte.
Wittgensteins Sprachphilosophie: Sie diskutieren, wie Sprache unsere Kommunikation und Wahrnehmung der Welt formt. Wittgenstein betont, dass Sprache in »Sprachspielen« stattfindet, wobei die Bedeutung von Worten vom jeweiligen Kontext abhängt.
Machiavellis politische Philosophie: Precht erklärt, dass Machiavelli oft missverstanden wird. Sein Ziel war nicht die reine Machtausübung, sondern die Schaffung eines starken, geeinten italienischen Staates nach dem Vorbild des alten Roms. Moralische Prinzipien sollten diesem höheren Ziel untergeordnet sein.
Sozialstaat und Arbeit: Eine ausführliche Diskussion über die Komplexität des Bürgergeld-Systems, wobei sie die verschiedenen Gründe für Beschäftigungslosigkeit analysieren und die oft vereinfachte öffentliche Debatte kritisieren. Besonders betonen sie die psychosozialen Faktoren, die Menschen vom Arbeitsmarkt fernhalten können.
Durchgehend zeigt sich ihre Fähigkeit, komplexe philosophische Konzepte auf aktuelle gesellschaftliche Debatten anzuwenden und dabei differenzierte Perspektiven zu entwickeln.
Lanz & Precht (185)
Freitag, 21. März 2025, über Massenwahn und Kriegslust
Die Folge 185 des Podcasts »Lanz & Precht« beschäftigt sich kritisch mit der aktuellen Aufrüstungsdebatte in Deutschland. Hier die wichtigsten Punkte:
Richard David Precht bezeichnet die aktuelle Begeisterung für militärische »Aufrüstung als Massenwahn« und warnt vor einer Eskalation der Bedrohungsfantasien.
Er kritisiert die volkswirtschaftliche Sinnhaftigkeit der Rüstungsinvestitionen und plädiert stattdessen für Investitionen in Forschung, Bildung und produktive Industrien.
Die Angst vor einem russischen Angriff auf Deutschland oder das Baltikum hält er für stark übertrieben und sehr unwahrscheinlich.
Die Wiedereinführung der Wehrpflicht sieht er kritisch, da sie ohne massiven Drill keine kriegstauglichen Soldaten hervorbringen würde.
Als größere Bedrohung für die Freiheit identifiziert er die Implosion liberaler Demokratien von innen heraus, wie in den USA zu beobachten.
Die Überalterung der Gesellschaft könnte laut Precht ein Grund für die aktuelle Angst und den »Massenwahn« sein.
Zitat dieser Folge
In der Diskussion um die Aufrüstung wird der Begriff „Selbstmord aus Angst vor dem Sterben“ verwendet, um die aktuelle Situation zu beschreiben. Die massive Aufrüstung, angetrieben von Angst vor einem Krieg, wird als kontraproduktiv dargestellt, da sie die Gefahr eines Krieges möglicherweise sogar erhöht und gleichzeitig die Wirtschaft durch immense Schulden belastet.
Das ist wie Selbstmord aus Angst, zu sterben.
Die Angst vor einer Rezession führt zu dem Versuch, die Wirtschaft durch Rüstungsinvestitionen anzukurbeln. Dies wird jedoch als volkswirtschaftlicher Unsinn kritisiert, da Rüstungsgüter im Gegensatz zu Investitionen in Forschung, Bildung oder andere produktive Sektoren keinen nachhaltigen ökonomischen Nutzen bieten.
Die Umorientierung der Wirtschaft hin zu einer Kriegswirtschaft wird als ein gefährlicher Schritt angesehen, der die Situation verschlimmert, anstatt zu verbessern.
Lanz & Precht (184)
Freitag, 14. März 2025, zur Bürokratie und ihren Funktionen
In der Folge 184 diskutieren Lanz und Precht die folgenden Hauptthemen:
Donald Trumps »Kulturrevolution« und die Effizienzabteilung DOGE unter Elon Musk, die US-Behörden radikal umbaut
Die wichtige Rolle der Bürokratie als Schutz vor Willkür und zur Sicherung von Bürgerrechten
Warnung vor dem Abbau der Bürokratie, der zu einem patrimonialischen System führen könnte
Die Bedeutung europäischer Verbraucherdaten als wertvoller Rohstoff, der bisher kostenlos an US-Tech-Konzerne abgegeben wird
Lanz & Precht (183)
Freitag, 7. März 2025, zum Wende-Wumms des Friedrich Merz
In der Folge 183 diskutieren Lanz und Precht folgende Kernthemen:
Die CDU gibt ihre traditionelle Position zur Schuldenbremse auf – von Precht als »biologisch informationslos« kommentiert
Die NATO befindet sich in einer Schockstarre, wobei die Glaubwürdigkeit des Artikel 5 (Beistandspflicht) stark angezweifelt wird
Dramatischer Rückgang der militärischen Kapazitäten seit 1989:
Lanz & Precht (0 … 182)
Wir haben erst kürzlich damit begonnen, einzelne Folgen zu analysieren.
Meine Notizen erhebe ich mit der App Snipd, einer neuen Art, Podcasts zu hören. Mit der App kannst Du unterwegs relativ einfach Lesezeichen setzen, die mit kurzen, generierten Zusammenfassungen und Transkripten in Deinen Account abgelegt werden. Du kannst die Notizen automatisch an Deine Software für Wissensmanagement übertragen und kannst mit einzelnen Podcastfolgen chatten.
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