Digitalität als Haltung verstehen
Dienstag, 30. September 2025
Digitalität ist die reflektierte Haltung zum Digitalen, die den Menschen in den Mittelpunkt stellt. Digitalisierung ist die aktive Problemlösung, während Digitalismus alles dem Digitalen unterordnet. Seien wir wachsam gegenüber totalitären Zügen und bewahren wir humanistische Werte.
Kolumne
Bevor ich zu den Begriffen Digitalisierung, Digitalität und Digitalismus komme, lassen Sie es mich an einem speziellen Begriff erklären, was ich meinen könnte.
Das Wort ›Spezialisierung‹ beschreibt aus meiner Sicht die Schlüsselaktivität eines Experten oder Unternehmens, sich in einem bestimmten Fachbereich weiterzuentwickeln. Persönlichkeiten und Organisationen entwickeln dann eine Spezialität, die weiterhin veränderungswürdig bleibt, sich aber sinnvoll einbringt. Nicht so ein Spezialismus, wie ich ihn auf Stupidedia definiert finde. Spezialismus bezeichnet den Glauben an die totale Spezialisierung von allem innerhalb des Universums, angefangen mit der menschlichen Gesellschaft. Stupidedia will eigentlich verrissartig witzig sein. Hier liegt es meines Erachtens genau richtig.
Im Diskurs sich verändernder Gesundheitsmärkte bin ich deshalb immer hellhörig und mache mir einen Begriff davon, womit ich es in Texten, bei Argumenten und anderen Wortmeldungen zu tun habe. Selbst an mich herangetragene Ideen und Projekte werden einer Beurteilung unterzogen, was sich mir bietet. Erkenne ich Digitalisierung, Digitalität oder Digitalismus.
Digitalisierung, Digitalität und Digitalismus
Analog zu den Begriffen Spezialisierung, Spezialität und Spezialismus kommen wir zu dem Schluss, dass Digitalisierung eigentlich die Schlüsselaktivität ist, sich in Problemlösung unter Berücksichtigung des Digitalen weiterentwickeln zu wollen. Viele nutzen diesen Begriff allerdings als Steigbügel, um sich über den Imperativ unserer Zeit zu beklagen. Das ist ein Missbrauch des Eigentlichen. Ich verstehe das, denn Digitalisierung missachtet häufig gewohnte Geheimnisse, die für sich genommen schützenswert sind. Nicht das Digitale kommt zur Welt, sondern Teile unserer Welt tendieren zum Digitalen und entziehen sich ganz oder in Teilen unserer Anschauung. Das kann ein Problem sein.
Digitalität verstehe ich als reflektierte Haltung zum Digitalen. Hier mag ich erkennen, dass der Faktor Mensch berücksichtigt wird. Digitalität beschreibt eine Haltung zum Digitalen unter Berücksichtigung humanistischer Grundsätze und Prinzipien. Dazu gehört dann auch die aktive Auseinandersetzung mit dem digitalen Gesundheitsmarkt und den Konsequenzen, die das Digitale mit sich führt. Passiv-defensive Bewältigungsstrategien werden vermieden. Nicht alles muss begrüßt werden. Die ideologiekritische Analyse bleibt wichtig.
Mit Digitalismus kommen wir zum Extrem, alles und jeden dem digitalen Momentum unterzuordnen. Ich lehne das ab. Digitalismus entlehne ich dem Solutionismus, der dem Narzissmus gefährlich nahe steht und glaubt, alles ließe sich mithilfe von Daten zu etwas Besserem hinlösen. Zudem ist ein Trend zum entgrenzten, digitalen Kapitalismus erkennbar. Für mich in Summe eine fremde Vorstellung, die der Perversion nähersteht als dem Humanismus, den ich je nach Strömung unterstützen würde. Digitalismus ist ein Irrtum, der als eine Art besonderer Kompetenzüberschreitung in Erscheinung tritt und auf Unwissenheit verweist. Dem darf aktiv begegnet werden. Wo bildet das Digitale totalitäre Züge aus, die der Orientierung an universellen Werten zuwiderlaufen? Wo überfordert das Digitale die Menschlichkeit? Gibt es eine Perversion im Umgang mit Daten? Wurde verschlimmbessert? Wird ein Verhaltensüberschuss inadäquat ausgebeutet? Sie durften kurz in meinen Kopf schauen, und ich hoffe inständig, dass es hilft.
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