Europa reguliert seine eigene Abhängigkeit
Samstag, 1. November 2025
Europa strebt digitale Souveränität an, verliert aber durch übermäßige Regulierung die Fähigkeit, Innovation zu fördern. Wir oscillieren zwischen Tech-Feudalismus und wirtschaftlicher Irrelevanz – ein schmerzhafter Zustand für die europäische Identität.
Kommentar
Eigenes Foto mit KI nachbearbeitet.
Wir schützen unsere Werte durch Regulierung – und verlieren dabei die Fähigkeit, sie durchzusetzen. Der EU-AI-Act verzögert Markteinführungen durch komplexe Zertifizierung und schafft regulatorische Unsicherheit, die Innovation hemmt.
Heute Nacht kam das Update für das Betriebssystem auf dem Desktop. Das iPhone-Mirroring bleibt in der EU blockiert – nicht durch Verbot, sondern durch regulatorische Unsicherheit. Das wurde am Rande der WWDC25 klar von Apple-Verantwortlichen geäußert. Eine verzichtbare Funktion, mögen manche sagen. Doch der Grund ist entscheidend:
Apple befürchtet, sein Desktop-Betriebssystem für Android und andere Plattformen öffnen zu müssen.
Das Paradox wird offensichtlich. Je stärker wir durch Regulierung digitale Souveränität anstreben, desto abhängiger werden wir von US-Technologie. Innovative KI-Lösungen im Gesundheitswesen kommen größtenteils aus den USA. Vielleicht nicht alle, aber viele der 450 Millionen europäischen Nutzer geben ihre Gesundheitsdaten an US-Konzerne – ohne europäische Alternativen. Uns fehlen eigene KI-Infrastrukturen und Rechenzentren, und wir verlieren unsere Talente durch Brain Drain.
Fragmentierte nationale Zuständigkeiten blockieren koordinierte Investitionen in digitale Infrastruktur, während das Vorsorgeprinzip Innovation strukturell benachteiligt. Die europäische Regulierungslandschaft ist zu einem Flickenteppich geworden, der strategische Weichenstellungen verhindert.
Die Ironie liegt in der Tatsache, dass Regulierung uns schützen soll. Jetzt untergräbt sie womöglich die wirtschaftliche Basis, die wir brauchen, um handlungsfähig zu bleiben. Einerseits bedeutet weniger Regulierung Unterwerfung unter fremde Wertesysteme. Andererseits führt strikte Regulierung zur bereits spürbaren Stagnation und wirtschaftlichen Marginalisierung. Europa oszilliert zwischen zwei existenziellen Bedrohungen: Wertverlust durch Tech-Feudalismus oder Bedeutungsverlust durch wirtschaftliche Irrelevanz.
Das ist die strukturelle Blockade, in der wir uns befinden. Mich schmerzt das primär, weil ich mich als Europäer fühle und hier kein plumpes EU-Bashing betreiben möchte. Es nicht anzusprechen ist deshalb keine Option. Es ist eine echte Sorge, eine Warnung vor den Konsequenzen unserer aktuellen Politik. Die Wirkungen auf das Gesundheitsgeschehen als Säule der Demokratie geraten dabei aus dem Blick – und das sollte uns alle alarmieren.

