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October 16, 2025

#faxendicke

Die Persistenz des Faxgeräts ist keine Irrationalität. Sie ist die rationale Präferenz für eine Form, die den ärztlichen Berufsalltag strukturiert, rechtlich absichert und psychologisch entlastet.

Weltbild

Eigene Aufnahme

Das Phänomen der Persistenz des Faxgeräts beeinflusst die Kommunikation im medizinischen Bereich, indem es die Effizienz im Abschluss von Vorgängen erhöht, während die Akzeptanz digitaler Alternativen und die damit verbundene Flexibilität abnimmt.

English

Eine formkalkulierte Analyse der unsichtbaren Kommunikationslogik in der ärztlichen Praxis

Dieser Beitrag beendet die Diskussion um das Fax. Ein für allemal. Als wir 2018 die Initiative #faxendicke gründeten, haben wir etwas Wichtiges übersehen. Deshalb reiche ich das jetzt nach:

Die Frage, warum 77 % der deutschen Ärztinnen und Ärzte im Jahr 2025 noch regelmäßig das Faxgerät nutzen (1), während die digitale Transformation des Gesundheitswesens mit Milliarden Euro vorangetrieben wird, lässt sich nicht mit Technikfeindlichkeit oder mangelnder Aufklärung erklären. Die Antwort liegt tiefer – in einer unsichtbaren Logik der Kommunikation, die sich mithilfe des Formkalküls von George Spencer-Brown entschlüsseln lässt.

Das Senden eines Faxes suggeriert nicht nur einen symbolischen Abschluss.

Das Geheimnis der Beharrung: Warum das Fax im Gesundheitswesen überlebt.

In den vergangenen Tagen habe ich noch einmal meine Aufzeichnungen, alte Blogposts, Notizen und Informationen gesichtet. Meine Analyse zeigt, dass wir es falsch angegangen sind. Die Beharrung auf das Fax ist keine irrationale Rückständigkeit, sondern die rationale Präferenz für eine spezifische Form der Kommunikation, die weder E-Mail noch der künftige TI-Messenger adäquat bedienen können. Beim TIM kann man noch Hoffnung haben. Technisch gesehen, weil einige Attribute, die das Fax attraktiv halten, berücksichtigt werden könnten. Kulturell, weil der Generationenwechsel dem Fax den Rest geben wird.

Abschluss versus Prozess

Die gängige Debatte kreist um die Unterscheidung »Fax versus E-Mail«. Die E-Mail zieht deutlich den Kürzeren, weil sich herumgesprochen hat, dass eine Verschlüsselung sinnvoll ist. Diese Technologien sind für viele weiterhin böhmische Dörfer. Trefflicher erscheint die Unterscheidung, etwas allgemeiner zu fassen. Analog versus digital lässt sich bildbasiert und datenbasiert unterscheiden. Auch unsicher und sicher hört man bisweilen.

Diese Unterscheidungen verfehlen den Kern. Die eigentliche, entscheidende Form, die im ärztlichen Berufsalltag operiert, lautet:

Schriftlicher Kommunikationsvorgang = [Definitiver Abschluss: {unveränderlich, dokumentiert, archivierbar, asynchron} ¬ Offener Prozess: {dialogisch, editierbar, erwartungsbeladen, synchronisierungsbedürftig}] / Ärztliche Kommunikation

Ein schriftlicher Kommunikationsvorgang in der ärztlichen Praxis muss zwischen zwei grundverschiedenen Modi unterscheiden: dem definitiven Abschluss und dem offenen Prozess. Der definitive Abschluss zeichnet sich dadurch aus, dass er unveränderlich, dokumentiert, archivierbar und asynchron ist. Der offene Prozess hingegen ist dialogisch, editierbar, erwartungsbeladen und synchronisierungsbedürftig. Diese Unterscheidung strukturiert die gesamte ärztliche Kommunikation.

Definitiver Abschluss

Das Fax repräsentiert die Perspektive der Arztpraxis perfekt. Es markiert einen Kommunikationsakt als einen abgeschlossenen, dokumentierten und rechtssicheren Monolog. Der Vorgang ist mit dem Senden beendet. Die Verantwortung liegt nun beim Empfänger. Der Sender kann den Vorgang mental und operativ aus seinem Arbeitsgedächtnis entfernen.

In einer durchschnittlichen Hausarztpraxis werden täglich etwa 30 Faxe versendet, die jeweils genau diesen Abschluss markieren: Laborbefunde an Fachärzte (62 % der Faxkommunikation betrifft die Kommunikation mit Krankenhäusern), Überweisungen an Krankenkassen (44 % der Fälle), Rezepte an Apotheken (1).

Offener Prozess

Die E-Mail markiert Kommunikation als einen potenziell endlosen, dialogischen Prozess. Eine E-Mail impliziert die Erwartung einer Antwort. Sie erzeugt sozialen Druck. Sie ist in ihrer Form editierbar, weiterleitbar, kommentierbar – und damit flüchtig. Sie bleibt im Arbeitsgedächtnis präsent. Der Vorgang ist nicht abgeschlossen, sondern offen.

Die 62 % der Befragten, die den hohen Administrationsaufwand digitaler Alternativen kritisieren (1), verweisen genau auf diese strukturelle Eigenschaft: Die E-Mail schließt nicht ab, sie eröffnet.

Wer hat nicht schon einen Anruf erhalten oder beobachtet, ob die E-Mail des Gegenübers am anderen Ende der Leitung wirklich eingetroffen ist?

Das kultivierte Signal

Das Signal, das einen Vorgang unumkehrbar macht – den definitiven Abschluss markiert – ist nicht der Sendeknopf am Faxgerät. Es ist der Akt der eigenhändigen Unterschrift auf dem Papier vor dem Senden. Selbst, wenn man gar nicht mehr unterschreibt.

Dieser Akt ist performativ, rituell, kulturell tief verankert. Er transformiert einen Entwurf in ein verbindliches Dokument mit hohem symbolischen Wert. In diesem Moment geschieht alles, was die ärztliche Kommunikation seit der Moderne rechtssicher und psychologisch entlastend macht:

  1. Finalisierung: Der Inhalt ist ab diesem Moment fest und unveränderlich. Es gibt keine nachträgliche Editierbarkeit, keine Versionskonflikte. Das zumindest unterstellt man aufgrund zuvor mangelnder Technologie. Revisionssicher mit Wachs und Siegel.

  2. Autorisierung: Die Unterschrift bestätigt die professionelle und rechtliche Verantwortung gemäß § 203 StGB (Schweigepflicht) (1).

  3. Asynchronisierung: Der Vorgang ist für den Sender mental und operativ abgeschlossen. Die durchschnittlichen 23 Minuten täglichen Zeitaufwands pro Praxis für Faxhandling (1) werden akzeptiert, weil sie einen kognitiven Abschluss ermöglichen.

Die E-Mail kennt dieses einfache, kulturell verankerte Signal des Abschlusses nicht. Der Klick auf ›Senden‹ ist ein Signal des Beginns, nicht des Endes. Daher der verzweifelte Anruf: »Ist meine E-Mail angekommen?« – das löst Vertrauen aus durch einen manuell erzeugten Ersatz-Sendebericht im auditiven Format, um die quälende Unsicherheit zu beenden.

Die haptische Dimension: Wenn das Signal greifbar wird

Die Beharrungskraft speist sich nicht nur aus der funktionalen Nützlichkeit der Medienform, sondern entscheidend auch aus der überlegenen sinnlichen Qualität des Signals.

Das haptische Faxsignal

Man legt ein physisches Blatt Papier ein. Man hört, wie die Maschine es einzieht und verarbeitet. Man erhält am Ende einen Sendebericht – ein weiteres Stück Papier, das den Abschluss materiell belegt. Die gesamte Operation ist in der physischen Welt verankert. Sie bedient die Form (Abschluss ¬ Prozess) mit einem greifbaren, fast rituellen Signal.

Die Vorstellung der ›Fernkopie‹ ist nicht nur eingängiger – sie ist physisch und sinnlich erfahrbar. Das ist der entscheidende Grund, warum selbst die 34 % der Ärztinnen und Ärzte, die das Fax fälschlicherweise für sicherer als E-Mail halten (1), nicht vollständig im Unrecht sind: Ihre Sicherheitseinschätzung bezieht sich nicht auf die kryptografische Ebene, sondern auf die Verlässlichkeit des Abschlusssignals.

Das E-Mail-Signal ist abstrakt

Man klickt auf ein virtuelles Symbol. Die Datenpakete verschwinden in einer unsichtbaren »Cloud«. Es gibt kein Geräusch, kein materielles Feedback. Der Prozess ist entkoppelt von der sinnlichen Erfahrung. Die 15 % Fehlerrate bei manueller Dateneingabe aus Faxempfängen (1) werden in Kauf genommen, weil das haptische Signal den kognitiven Aufwand kompensiert.

Die unterschätzte Macht der Weltbilder: Warum rationale Argumente nicht ausreichen

Wer jetzt anmahnt, dass man im Jahr 2025 seinen Frieden mit digitaler Kommunikation gemacht haben könnte, hat einen Punkt, lässt jedoch Weltbilder und Mythen außen vor.

Die Beharrung auf das Fax ist nicht nur eine Frage der funktionalen Präferenz oder der kognitiven Ökonomie. Sie ist eingebettet in ein kollektives Weltbild, das sich über Jahrzehnte in der ärztlichen Profession etabliert hat und das durch drei zentrale Mythen gestützt wird:

Mythos 1: Die Unantastbarkeit des Papiers

Das Papier ist in der medizinischen Kultur seit Jahrhunderten das materielle Symbol für Verbindlichkeit und Vertrauen. Die Patientenakte, das Rezept, der Befund – all das existierte physisch, war greifbar, war wahr. Die Digitalisierung fordert nicht nur einen Technologiewechsel, sondern einen ontologischen Bruch: Was nicht materiell ist, erscheint weniger real, weniger verbindlich, weniger vertrauenswürdig.

Die 34 % der Ärztinnen und Ärzte, die das Fax für sicherer halten als die E-Mail (1), artikulieren nicht primär ein technisches Urteil. Sie artikulieren ein Weltbild, in dem das Physische dem Digitalen überlegen ist – nicht aus Unwissenheit, sondern aus einer tief verwurzelten epistemischen Präferenz.

Mythos 2: Die Gefahr des unkontrollierbaren Dialogs

Die ärztliche Profession hat sich historisch durch eine asymmetrische Kommunikationsstruktur definiert: Der Arzt ist der Sender, der Patient oder das Krankenhaus der Empfänger. Der Arzt bestimmt, wann die Kommunikation beginnt und wann sie endet. Die E-Mail und erst recht der Messenger drohen, diese Asymmetrie aufzulösen.

Die Befürchtung vor einer »Flut an Patientenanfragen« über TIM (1) ist nicht nur eine Sorge um Arbeitsbelastung. Sie ist die Angst vor einem Kontrollverlust, vor der Auflösung einer jahrhundertealten Rollenordnung. Das Fax bewahrt die Hierarchie: Der Arzt sendet. Der Empfänger hat zu empfangen. Keine Rückfragen, keine Dialogerwartung.

Mythos 3: Die Illusion der digitalen Perfektion

Die digitale Transformation verspricht Fehlerfreiheit, Effizienz, Interoperabilität. Doch dieses Versprechen erzeugt einen paradoxen Druck: Sobald ein digitales System eingeführt wird, wird erwartet, dass es perfekt funktioniert. Jede Störung, jedes Sicherheitsproblem, jede Inkompatibilität wird als Scheitern wahrgenommen.

Das Fax hingegen ist kulturell normalisiert. Niemand erwartet Perfektion. Fehlübertragungen, unleserliche Seiten, falsche Nummern – all das wird als akzeptabler Teil des Systems hingenommen. Die 15 % Fehlerrate bei manueller Dateneingabe aus Faxempfängen (1) sind kein Skandal. Sie sind Teil der Normalität.

Digitale Systeme müssen einen ungleich höheren Standard erfüllen, um akzeptiert zu werden. Und dieser Standard ist oft unerreichbar, weil er nicht technisch, sondern mythisch definiert ist.

Die kulturelle Trägheit als Schutzmechanismus

Weltbilder und Mythen sind keine irrationalen Hindernisse. Sie sind kollektive Schutzmechanismen, die eine Profession gegen überstürzte Veränderungen absichern. Die Beharrung auf das Fax ist auch ein Ausdruck von Skepsis gegenüber der Omnipotenz der Technologie – eine Skepsis, die angesichts zahlreicher gescheiterter Digitalisierungsprojekte im Gesundheitswesen nicht unbegründet ist.

Wer diese Weltbilder ignoriert und nur mit rationalen Argumenten operiert – Sicherheit, Effizienz, Interoperabilität – wird scheitern. Denn die Entscheidung für oder gegen eine Technologie ist nie nur rational. Sie ist immer auch kulturell, symbolisch, mythisch.

Die dritte Dimension: Der TI-Messenger als gescheiterte Synthese?

Der TI-Messenger (TIM) sollte die Lösung sein. Er wurde konzipiert, um die veraltete Kommunikation per Fax und Papier schrittweise abzulösen und einen sicheren, schnellen und direkten Austausch zwischen allen Akteuren im Gesundheitswesen zu ermöglichen (1).

Technisch ist TIM beeindruckend: Er basiert auf dem offenen Matrix-Protokoll, ist dezentral, Ende-zu-Ende-verschlüsselt und DSGVO-konform. Ab Juli 2025 soll er in die ePA-Apps der Krankenkassen integriert werden. Die Vision der Gematik ist klar: TIM soll das verbindende Element der Telematikinfrastruktur werden (1).

Und dennoch zeichnet sich ab: Die Akzeptanz könnte verheerend gering bleiben. Der TI-Messenger kämpft mit denselben strukturellen Problemen, die auch die E-Mail plagen – nur verschärft.

TIM bedient weder Abschluss noch Prozess adäquat

Das Problem des fehlenden Abschlusses: TIM ist als Messenger konzipiert – also als Medium für dialogische, prozesshafte Kommunikation. Ein Messenger impliziert Verfügbarkeit, Antworterwartung, Präsenz. Genau das Gegenteil dessen, was die ärztliche Praxis für 62 % ihrer Kommunikationsvorgänge zu benötigen glaubt: den definitiven, asynchronen Abschluss (1).

Das Problem der fehlenden Haptik: TIM ist vollständig virtuell. Es gibt kein Papier, keine Unterschrift, keinen Sendebericht. Das Signal des Abschlusses ist noch abstrakter als bei der E-Mail. Die Integration in Praxisverwaltungssysteme (PVS) mag die Bedienung erleichtern – aber sie löst nicht das fundamentale Problem der fehlenden sinnlichen Rückmeldung (1). Zwar bieten das Patientenverwaltungssysteme so auch nicht. Die einrichtungsinterne Patientenakte jedoch bleibt in Verantwortung der Arztpraxis und dient nicht der Kommunikation mit außerhalb der Praxis agierenden Entitäten.

Das Problem der fehlenden Netzwerkeffekte: Ein Messenger ist nur dann nützlich, wenn die wichtigsten Kommunikationspartner ebenfalls teilnehmen. Solange die Verbreitung gering ist – und das ist sie – bleibt der Anreiz zum Umstieg niedrig. Das Fax hingegen funktioniert bilateral. Jede Praxis, jedes Krankenhaus, jede Apotheke hat eines. Die Infrastruktur ist flächendeckend etabliert seit den 1980er Jahren (1).

Das Problem der fehlenden Verpflichtung: Anders als bei der E-Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU) oder dem E-Rezept gibt es keine gesetzliche Pflicht zur Nutzung des TI-Messengers (1). Solange die Form des definitiven Abschlusses nicht bedient wird und das Signal nicht überzeugt, bleibt die freiwillige Adoption aus.

Die Befürchtung des Wildwuchses

Medizinisches Personal befürchtet eine zusätzliche Belastung durch eine Flut an Patientenanfragen über TIM, die den Arbeitsalltag stören könnte (1). Diese Befürchtung ist strukturell präzise: Der Messenger droht, die mühsam aufrechterhaltene Unterscheidung zwischen Abschluss und Prozess zu kollabieren. Jeder abgeschlossene Vorgang könnte jederzeit durch eine Nachricht wieder geöffnet werden.

Die Gematik setzt auf Rollen- und Berechtigungskonzepte, um Praxen vor unkontrollierter Kontaktaufnahme zu schützen (1). Doch das löst nicht das grundlegende Problem: TIM ist strukturell ein Medium für offene Prozesse, nicht für definitive Abschlüsse.

Warum technische Lösungen scheitern müssen

Die normativen Appelle zur Nutzung digitaler Alternativen scheitern, weil sie die falsche Form adressieren. Sie argumentieren auf der Ebene der Technologie:

  • »Datenbasiert ist besser als bildbasiert.«

  • »Verschlüsselt ist sicherer als unverschlüsselt.«

  • »Interoperabel ist effizienter als proprietär.«

Die Ärztinnen und Ärzte jedoch operieren auf der Ebene des Arbeitsablaufs und der kognitiven Ökonomie:

  • »Abgeschlossen ist besser als offen.«

  • »Haptisch rückgemeldet ist verlässlicher als abstrakt.«

  • »Kulturell verankert ist praktikabler als neuartig.«

Die 78 % der Faxgeräte, die mit veralteter Firmware ohne Sicherheitsupdates betrieben werden (1), sind kein Zeichen von Ignoranz. Sie sind ein Zeichen dafür, dass die Sicherheitsdebatte an der eigentlichen Funktion des Faxes vorbeigeht. Das Fax ist kein Kommunikationsmedium im modernen Sinne. Es ist ein Abschlussmechanismus.

Was wir nicht vergessen sollten

Der vermeintliche Abschluss ist selbst Teil eines übergeordneten Prozesses. Das zeigt sich, wenn das Fax an der falschen Nummer ankommt, wenn der Sendebericht fehlt, wenn die Gegenstelle nicht antwortet.

Dann wird sichtbar: Der »definitive Abschluss« ist eine Fiktion. Er funktioniert nur, solange alle Beteiligten an die Gültigkeit des Signals glauben. Das Fax ist nicht sicherer als die E-Mail – aber es simuliert Sicherheit durch Haptik.

Diese Simulation ist nicht wertlos. Sie ist eine soziale Technologie, die den ärztlichen Alltag strukturiert. Sie ermöglicht kognitive Entlastung in einem Berufsfeld, in dem 30 zusätzliche Kommunikationsvorgänge pro Tag abgeschlossen werden müssen, ohne dass jeder Vorgang im Arbeitsgedächtnis präsent bleiben kann.

Ausblick: Was eine echte Alternative leisten müsste

Weder E-Mail noch TI-Messenger werden das Fax ersetzen, solange sie nicht die Form des definitiven Abschlusses bedienen und ein kulturell akzeptiertes, haptisch rückgemeldetes Signal anbieten.

Eine echte Alternative müsste:

1. Den Abschluss explizit machen: Ein »Senden und Abschließen«-Button, der den Vorgang für den Sender und für den Empfänger final beendet und keine Antwort erwartet. Nicht ein Messenger, sondern ein digitaler Dokumententransfer mit Finalitätssignal. Vergleichbar günstiger gelöst wurde das beim E-Rezept.

2. Haptisches Feedback simulieren: Ein akustisches Signal beim Senden. Eine Push-Benachrichtigung bei erfolgreicher Zustellung (nicht bei Lesebestätigung – das wäre wieder Prozess). Ein digitaler »Sendebericht«, der automatisch archiviert wird und visuell bestätigt: Vorgang abgeschlossen.

3. Die kulturelle Signatur übertragen: Die qualifizierte digitale Signatur existiert. Sie ist rechtssicher. Aber sie ist zu umständlich. Es bräuchte eine Ein-Klick-Signatur, die den rituellen Akt der eigenhändigen Unterschrift nachbildet, ohne zusätzlichen Aufwand zu erzeugen.

4. Die Unterscheidung respektieren: Manche Kommunikation ist Abschluss, manche ist Prozess. Ein System, das beides bieten will, muss die Modi explizit trennen. TIM könnte das leisten – wenn es einen »Dokumentenmodus« neben dem »Messenger-Modus« implementieren würde.

Ergo: Die Rationalität der Beharrung

Die Persistenz des Faxgeräts ist keine Irrationalität. Sie ist die rationale Präferenz für eine Form, die den ärztlichen Berufsalltag strukturiert, rechtlich absichert und psychologisch entlastet.

Das Fax ist nicht das Problem. Es ist die Lösung für ein Problem, das die digitale Transformation bisher nicht verstanden hat: Wie kommuniziert man, wenn man 30 Vorgänge pro Tag definitiv abschließen muss? Wie signalisiert man Finalität in einer Welt, die auf Dialogizität optimiert ist?

Solange diese Fragen nicht beantwortet werden, wird das Fax bleiben. Nicht weil es besser ist. Sondern weil es eine unsichtbare Funktion erfüllt, die keine Alternative bedient.

Die Beharrung ist das Signal. Das Signal zeigt die Form. Die Form zeigt, was fehlt.



Literaturverzeichnis

(1) Alle Fakten habe ich einem früheren Beitrag aus dem März 2025 entlehnt. Genauere Angaben zu den Quellen gibt es dort.


Frank Stratmann
Unterschrift Frank Stratmann

I'm Frank Stratmann - an experienced foresight and communication designer who is passionate about working with healthcare professionals. Also known as @betablogr.

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