Aktualisiert

15. September 2025

Konsumismus als Perspektiven Fixation im Kontext von Gesundheitsinformationen

Reflexion vor meiner Teilnahme am Gesundheitswirtschaftskongress 2025 in Hamburg

Kampagne

Das Phänomen der Konsumismus-Perspektive im Gesundheitswesen führt dazu, dass die Vermarktung von Gesundheitsleistungen zunimmt, während die authentische zwischenmenschliche Beziehung zwischen Patienten und Gesundheitsanbietern abnimmt.

German

Konsumismus gefährdet die Gesundheitskommunikation; neue Ansätze fokussieren ethische Werte und menschliche Beziehungen statt Marketing.

Einem Menschen begegnen bedeutet, von einem Rätsel wachgehalten zu werden. Ich bin auf dem Weg zum Gesundheitswirtschaftskongress 2025 nach Hamburg, als ich beginne, diesen Text zu schreiben. Der ICE rollt bereits kurz hinter Münster. In Hamburg warten auf mich Begegnungen mit alten und neuen Bekannten in einer Branche, deren Menschen mir seit mehr als zwanzig Jahren ein Rätsel aufgeben.

Warum glauben wir im Gesundheitswesen, Steigerungslogiken seien ein Vorbild für gelingende Gesundheitskommunikation? Seit mehr als zwanzig Jahren begleite ich jetzt den Diskurs in sich verändernden Gesundheitsmärkten. Leider stelle ich fest, dass das die Kommunikation von Gesundheitseinrichtungen in einer Art Entfremdung steckt. Budgets und mangelnder Mut führen uns zu Reflexen der absatzorientierten Marketingkommunikation, anstatt einmal grundsätzlicher eine tätige Auseinandersetzung mit dem Gesundheitsmarkt zu suchen. Die Disziplin Public Relation, einst aus der Kriegsberichterstattung heraus geboren, hat längst eine Stimmbandentzündung, die auch deshalb nicht abheilen will, weil unter der Verwaltung zahlreicher Mangelzustände ein immer weiter lauter so, keinen Wert mehr hat.

Neues Paradigma dringend empfohlen

Von der Neuen Versorgungskommunikation hatte ich Kongresspräsident Professor Heinz Lohmann in einer E-Mail berichtet. Die Versorgungskommunikation geht über tradierte Ansätze der Kommunikation hinaus und setzt einen ethischen Rahmen, der mittelfristig aus der Entfremdung führen könnte, die wir mit dem Einzug von PR und Marketing eigentlich nur noch ertragen, anstatt einen gelingenden Dialog mit den Menschen zu gestalten, die das Gesundheitswesen tatsächlich benötigen.

Meine These lautet also: Public Relations und Marketing passen nicht zum Gesundheitsgeschehen, wenn es um den unmittelbaren Dialog zwischen jenen kommt, die in Krankheit geworfen wurden, und also denen, die eine Kompensationskompetenz in Sinne medizinischer Leistungsfähigkeit einbringen. Kurz das Gespräch zwischen Patienten, Ärzten und ihren Einrichtungen.

Das beste Beispiel für diesen Gedanken ist der Titel des Panels, dem ich bei diesem Gesundheitswirtschaftskongress angehöre. Zunächst formuliert die Kongressleitung den Anspruch für das Branchenmeeting: »Der GWK 2025 will über die zentralen Weichenstellungen und Herausforderungen beraten, vor denen wir alle stehen«, hatte mir Prof. Heinz Lohmann geschrieben. Daraufhin bat ich ihn zu prüfen, was ich gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen seit der Pandemie in zahlreichen Sitzungen und Gesprächen erarbeitet habe. Nämlich einen ethischen Rahmen zur Wahrnehmung der kommunikativen Verantwortung von Krankenhäusern und anderen Gesundheitseinrichtungen. Herausgekommen ist ein praxisbezogenes Konzept, das den Ansatz in einer New Moral Health Economy verortet und so in der weiteren Flucht einer kulturellen Vorausschau einbettet, um langfristig die absatzorientierten Disziplinen Marketing und PR überflüssig zu machen.

Das Panel beim Gesundheitswirtschaftskongress

So kam es zu einer Einladung, mich im Panel »PATIENTEN WERDEN AUCH KONSUMENTEN: KOMMUNIKATION SCHAFFT WISSEN UND TRANSPARENZ« zu engagieren. Den zweiten Teil des Titels halte ich für einen Allgemeinplatz. Ob Patientinnen und Patienten tatsächlich in ihrer besonderen Situation als Konsumenten agieren, stelle ich hingegen infrage. Der allgegenwärtige Konsumismus mit seinen Strukturen für Steigerungslogiken der Begehrnisse möchte mir nicht so recht zu jenem asymmetrischen Verhältnis passen, das ich als Gesundheitsbeziehung bezeichne, weil uns das über ein reines Verhältnis hinausführt.

Im Disput des Panels ist meine Rolle also klar. Ich werde mich anwaltlich für einen moralischen Realismus einsetzen, um so einen Beitrag zur Korrektur der aus meiner Sicht falschen Richtung in den Konsumismus zu leisten.

Der Patient aus der Überschrift ist bei dieser Diskussionsrunde übrigens nicht anwesend. Ich vermute ihn nicht einmal im Publikum. Daher ordne ich die Sitzung als Versuch ein, normative Gründe zu verhandeln, wie Gesundheitsinformationen einen Beitrag leisten können, Wissen und Transparenz unter der Anspruchsgruppe PATIENT zu fördern.

Die Diskussion findet am Rande der Verleihung des Publizistik-Preises 2025 der Stiftung Gesundheit statt. Geehrt werden Werke, die verdeutlichen, wie facettenreich und relevant Gesundheitsberichterstattung sein kann. Der Preis richtet sich an den Gesundheitsjournalismus außerhalb von Gesundheitseinrichtungen. Für diese Art von Gesundheitsinformationen mag man ein Konsumverhalten unterstellen dürfen. Beiträge zu Gesundheitsthemen sind Medienformen, die sich in einem Möglichkeitsraum einordnen lassen. Medienformen sind in der Systemtheorie konkrete Gestaltungen, die in einem Medium entstehen und eine kommunikative Funktion erfüllen. Medien selbst sind dabei Möglichkeitsräume, die Anschlussoptionen eröffnen, ohne sie festzulegen.

Nach Jacques Derrida ist die mediale Form nicht einfach ein neutraler Träger von Inhalten, sondern ein aktiver Teil des Bedeutungsprozesses selbst. Sie bestimmt wesentlich mit, was überhaupt ausgedrückt und verstanden werden kann. Marshall McLuhans berühmtes Zitat »Das Medium ist die Botschaft« verdeutlicht ebenfalls diese Sichtweise – die Eigenschaften des Mediums selbst entfalten die entscheidende gesellschaftliche Wirkung, nicht primär der transportierte Inhalt.

Im Kontext von Gesundheitsinformationen ist die Medienform daher nicht nur ein neutraler Übertragungskanal, sondern prägt fundamental mit, wie Gesundheitsinhalte wahrgenommen, interpretiert und in Handlungen umgesetzt werden. Mit Blick auf den Publizistik-Preis stellen wir also fest, dass die Form der nicht erst seit diesem Jahr nominierten Beiträge ein eigenes Genre innerhalb von Publikumsmedien abbildet. Die Neugierde der Menschen erwärmt sich für die Geschichten von Menschen.

Für reichweitenstarke Medien gilt dann allerdings auch, dass bei aller Verve, die Redakteure, Filmemacher und Audio-Hosts (Radio und Podcast) bei ihrer Arbeit zeigen, Publikum erschlossen werden soll. Damit haben wir bereits einen ersten wichtigen Unterschied herausgearbeitet, was diese kommunikative Arbeit von der in Krankenhäusern und Arztpraxen unterscheidet.

Medienformen ändern nicht nur die Darstellung, sondern auch die Bedeutung und soziale Einbettung der Gesundheitsinformation selbst. Der Kandidatenkreis für den Publizistik-Preis 2025 eignet sich zum Sensibilisieren der Öffentlichkeit, die den Strukturwandel auch im Gesundheitsgeschehen deliberiert. Für die Mechanismen, die pro Krankheitsfall greifen, sind diese Beiträge inspirierend und deshalb gar nicht uninteressant. Systemisch sind sie in einer vernetzten Mediengesellschaft also mehr als nur ein Phänomen. Ihre Bedeutung zielt jedoch auf eine vergleichbar abstrakte, gesellschaftliche Dimension, die dem einzelnen Fall nicht genügen dürfte.

Diskursangebot für Neue Versorgungskommunikation

Die Neue Versorgungskommunikation richtet sich auch deshalb explizit an Gesundheitseinrichtungen, die beim Gesundheitswirtschaftskongress tatsächlich die zentralen Weichenstellungen und Herausforderungen diskutieren möchten.

Die Neue Versorgungskommunikation zeichnet sich durch vier wesentliche Essenzen aus:

  1. Erstens: Sie ist genügsam und verzichtet auf reißerische, absatzorientierte Ansätze zugunsten einer effektiven, ressourcenschonenden Kommunikation.

  2. Zweitens, zeigt sie sich befähigend und stärkt alle Beteiligten durch verständliche Information und Transparenz, um informierte Entscheidungen zu ermöglichen.

  3. Drittens ist sie kooperativ und fördert den Dialog zwischen allen Gesundheitsakteuren auf Augenhöhe.

  4. Viertens berücksichtigt sie ethische Aspekte jenseits kurzfristiger Ziele. Diese Essenzen bilden den Rahmen für eine verantwortliche Kommunikation, die dem Fall gerecht wirde und die Entfremdung überwindet. Sie stellt den Menschen wieder in den Mittelpunkt des Gesundheitsgeschehens selbst.

Betont werden darf, dass damit nicht gemeint ist, wie wir Medienformen der Marketingkommunikation gestalten sollten. Es geht auch nicht um Anleitung oder Vorschriften zur Gestaltung der Singularität eines Gesprächs zwischen Patienten und Arzt. Es geht um die Anerkennung und Ausrichtung des gesamten Systems. Seit Niklas Luhmann wissen wir, dass Systeme Kommunikation sind. Die damit verbundene Auflösung der funktionalen Differenzierung vollzieht sich bereits, obwohl wir mit dem Aufkommen von generativen KI-Agenten bereits vor neuen Weichenstellungen und Herausforderungen stehen. Haben wir nicht gerade noch am Stellwerkschaden und dem Ausgleich der Stresstoleranz gearbeitet, die das Auftauchen des Internets bei manchen Gesundheitsakteuren auslöst?.

Womöglich haben wir uns bereits verrannt, wie ich aus dem Titel meines Panels lese.

Der Patient darf niemals Konsument sein. Sogar dann, wenn er sich gelegentlich so verhält, weil unsere Lebenspraxis dem Konsum von Zeug entspricht. Gesundheitsinformationen dürfen niemals Zeug sein.

Künstliche Nachfrage zu erzeugen, weil Gesundheitseinrichtungen manipulierte Begehrnisse befriedigen wollen, steht der Medizin nicht gut. Ein Krankenhaus ist kein Matratzenmarkt. Es wird hoffentlich niemals zu Hüftwochen kommen, in denen man preismotivierte oder zeitlich unter Druck gestellte Entscheidungen treffen soll, die dem Anlass nicht gerecht werden.

Perspektiven Fixation

Das Konzept der »Perspektiven Fixation«, wie es von Shoukei Matsumoto in seiner Vorlesung »Human Literacy in the Age of AI« im Juni 2025 im Rahmen einer Mercator Lecture an der Universität Bonn entwickelt wurde, bietet mir erneuernd einen fruchtbaren Ansatzpunkt für die kritische Analyse konsumistischer Tendenzen in der Gesundheitskommunikation. Matsumoto beschreibt dieses Phänomen als die menschliche Neigung, den eigenen begrenzten Standpunkt für die gesamte Realität zu halten. In Verbindung mit Markus Gabriels Neuem Realismus eröffnet sich hier ein Denkrahmen, der die Vielschichtigkeit des Gesundheitsgeschehens besser erfassen kann.

Zum Ansatz für eine ›Neue Versorgungskommunikation‹ kam es schon 2020, weil wir im Kreise von Kolleginnen und Kollegen die hier angesprochene Fixation auf die Perspektiven PR und Marketing in der Gesundheitskommunikation im Rahmen der hinter uns liegenden Pandemie infrage stellten. Die oben bereits angesprochenen Essenzen der Neuen Versorgungskommunikation sind ein erstes Ergebnis, das sich bewusst nicht aufschwingt, darin wiederum fixierte Perspektiven erkennen zu wollen. Trotzdem eignet sich das Rahmenwerk dazu, die Verengung auf das Konsumparadigma zu analysieren.

Das Problem mit dem Konsumparadigma

Die Formulierung »PATIENTEN WERDEN AUCH KONSUMENTEN« im Paneltitel illustriert genau jene problematische Verengung der Perspektive: Sie reduziert das komplexe Feld der Gesundheitsbeziehung auf ein eindimensionales Konsumverhältnis und verkennt dabei die vielschichtige Natur des Gesundheitsgeschehens. Zwar steht dort ›auch‹ ein ›auch‹. Die im Gesundheitswesen vorherrschenden Steigerungslogiken fördern jedoch eher jene Glaubenssätze, die der Kommodifizierung von Gesundheitsleistungen Vorschub leisten.

Die Gesundheitsbeziehung existiert in Wirklichkeit in mehreren sich überlappenden Sinnfeldern:

  • Im existenziellen Sinnfeld als fundamentale Erfahrung von Verletzlichkeit und Endlichkeit

  • Im ethischen Sinnfeld als asymmetrische Beziehung mit besonderen Fürsorgepflichten

  • Im sozialen Sinnfeld als gesellschaftliches Solidaritätsverhältnis

  • Im medizinisch-fachlichen Sinnfeld als Begegnung unterschiedlicher Wissenshorizonte

Die Konsumismus-Perspektive reduziert diese Vielfalt auf ein ökonomisches Sinnfeld, in dem der Patient primär als Nachfrager und die Gesundheitseinrichtung als Anbieter konzipiert werden. Diese Fixation führt zu einer gefährlichen Verengung des Blicks.

Systemtheoretische Überwindung der Perspektivenverengung

Die Neue Versorgungskommunikation bietet einen praktischen Ansatz zur Überwindung dieser einseitigen Perspektive. Ihre vier Essenzen – Genügsamkeit, Befähigung, Kooperation und ethische Ausrichtung – entsprechen dem Konzept der »Human Literacy«, jener Fähigkeit, verschiedene Sinnfelder zu erkennen und zwischen ihnen zu navigieren.

In systemtheoretischer Betrachtung steht die Gesundheitskommunikation vor der Herausforderung, die Eigenlogik des Gesundheitssystems gegen die Überformung durch ökonomische Imperative zu verteidigen. Die Orientierung am Menschen statt am Konsum erfordert eine Kommunikation, die nicht auf Wachstum und Steigerung ausgerichtet ist, sondern auf das authentische Gesundheitsgeschehen selbst.

Eine zeitgemäße Gesundheitskommunikation muss ihre eigenen Grenzen anerkennen und sich der heilsamen Begegnung öffnen, jenseits konsumistischer Fixierungen. Sie wird zum von Demut umrahmten kommunikativen Handeln im Dienst der Gesundheitsbeziehung.

Neue Medienepoche und Human Literacy

Mit dem Aufkommen generativer KI-Agenten befinden wir uns an der Schwelle zu einer neuen Medienepoche. Diese technologische Transformation wird die Gesundheitskommunikation grundlegend verändern und kann dazu beitragen, unbewusste konsumistische Muster in unserer Sprache und unserem Denken sichtbar zu machen.

Dass wir hier ein Thema haben, zeigte kürzlich eine Erhebung der Unternehmensberatung Deloitte zur Digitalisierung im Gesundheitswesen. Rund ein Viertel der Befragten nutzt mittlerweile ChatGPT oder andere KI-Anwendungen für Selbstdiagnosen und Gesundheitsfragen.

Die KI-gestützte Gesundheitskommunikation eröffnet die Möglichkeit einer Kommunikation, die individuell auf spezifische Bedürfnisse zugeschnitten ist, ohne dabei in konsumistische Muster zu verfallen. Das Konzept der Human Literacy wird hier zentral: Es bezeichnet die Fähigkeit, Technologie so einzusetzen, dass sie menschliche Werte und Beziehungen stärkt, statt sie zu untergraben.

Eine systemtheoretisch reflektierte Gesundheitskommunikation erkennt die fundamentale Relationalität allen Geschehens an. Sie löst sich vom isolierten Konsumismus-Paradigma und würdigt die vielfältigen Beziehungen, die das Gesundheitsgeschehen konstituieren. Die Herausforderung der gerade beginnenden Medienepoche liegt darin, technologische Entwicklungen in den Dienst einer menschenzentrierten Gesundheitsversorgung zu stellen.

Der Übergang zur Netzwerkgesellschaft

Der Soziologe Dirk Baecker beschreibt eine Transformation von der funktional differenzierten Gesellschaft zur Netzwerkgesellschaft und liefert uns einen weiteren wichtigen Analyserahmen für unsere Betrachtung konsumistischer Tendenzen in der Gesundheitskommunikation.

Baecker identifiziert den gegenwärtigen Umbruch als Teil der vierten Medienepoche, in der erstmals Maschinen – und nun insbesondere KI-Agenten – aktiv an der gesellschaftlichen Kommunikation teilnehmen.

Die Netzwerkgesellschaft zeichnet sich nach Baecker durch eine fundamentale Neuorganisation von Inklusionsprozessen aus: Während die moderne Gesellschaft auf dem Ideal universeller Inklusion basierte, erfolgt Inklusion in der Netzwerkgesellschaft selektiv über heterogene Netzwerke. Diese Transformation hat tiefgreifende Auswirkungen auf die Gesundheitskommunikation:

  • Die Multiplizität der Kommunikationskanäle erschwert die kohärente Gestaltung von Gesundheitsinformationen jenseits konsumistischer Logiken

  • Die Selektivität der Netzwerke verstärkt Ungleichheiten im Zugang zu relevanten Gesundheitsinformationen

  • Die Partizipation verschiedener KI-Agenten als neue Kommunikationsteilnehmer verändert die Dynamik der Gesundheitskommunikation grundlegend.

In Baeckers Perspektive könnte die Überwindung konsumistischer Logiken in der Gesundheitskommunikation bedeuten, die »Lücke, die der Rechner lässt«, produktiv zu nutzen. Wir sprechen daher von Analogisierung in demselben Maße, in dem wir die Digitalisierung vorantreiben. Das erfordert eine reflektierte Gestaltung von Kommunikationsstrukturen, die die Eigenlogik des Gesundheitssystems gegen die Überformung durch ökonomische und technologische Imperative verteidigt.

Besonders relevant erscheint hierbei Baeckers Theorie des Scheiterns. Gerade in den Bereichen, wo die konsumistische Logik an ihre Grenzen stößt – etwa bei existenziellen Gesundheitsfragen –, öffnen sich Potenziale für Innovation und eine authentischere Form der Kommunikation. Die Herausforderung besteht darin, diese »produktiven Zusammenbrüche« nicht erneut in konsumistische Muster zu überführen, sondern sie als Ausgangspunkt einer Gesundheitskommunikation zu begreifen, die der Komplexität des Gesundheitsgeschehens gerecht wird.

Ergo

Der Brückenschlag zwischen der publikumsorientierten Kommunikation von Gesundheitsthemen und der Neuen Versorgungskommunikation liegt in der bewussten Unterscheidung ihrer jeweiligen Funktionen und Zielrichtungen. Die beim Publizistik-Preis nominierten Werke erfüllen eine wichtige gesellschaftliche Funktion. Sie tragen zur deliberativen Kommunikation bei, indem sie Missstände offenlegen, Einzelschicksale detailliert darstellen und systemische Ursachen, Weltbilder und Mythen kritisch beleuchten.

Diese Form der Kommunikation hat ihren berechtigten Platz im öffentlichen Diskurs über Gesundheit. Sie sensibilisiert, regt zum Nachdenken an und trägt dazu bei, gesellschaftliche Veränderungsprozesse anzustoßen. Sie erfüllt damit eine normative Funktion, die für die Weiterentwicklung des Gesundheitssystems unerlässlich ist.

Gesundheitseinrichtungen können von dieser Form der Kommunikation lernen – nicht indem sie diese einfach kopieren und sich zum reichweitenstarken Informationsanbieter aufschwingen. Krankenhäuser und Arztpraxen sollten ein Gespür für die dahinterliegenden Werte entwickeln. Die Neue Versorgungskommunikation überträgt diese Werte in einen anderen Kontext:

Während die publikumsorientierte Kommunikation auf gesellschaftliche Deliberation zielt, richtet sich die Versorgungskommunikation auf die konkrete Gesundheitsbeziehung.

Für Gesundheitseinrichtungen bedeutet dies konkret: Klickzahlen, Reichweite und vergleichbare KPIs sollten bei der individuellen Gesundheitskommunikation keine handlungsleitende Rolle spielen. Stattdessen orientiert sich die Neue Versorgungskommunikation an der Qualität der Gesundheitsbeziehung, an der Befähigung der Beteiligten und an ethischen Werten jenseits ökonomischer Imperative.

Hier zeigt sich erneut die Gefahr der Perspektiven Fixation: Wenn Gesundheitseinrichtungen den Patienten primär als Konsumenten betrachten, verengt sich ihr Blickfeld auf Marketing-Strategien und Absatzzahlen. Diese konsumistische Verengung übersieht die existenzielle Dimension im individuellen Gesundheitsgeschehen und reduziert komplexe Gesundheitsbeziehungen auf Marktbeziehungen. Die kritische Reflexion dieser Fixation ermöglicht erst den Raum für eine authentische Versorgungs­kommunikation, die den Menschen in seiner Ganzheit wahrnimmt.

Technologische Innovationen und generative KI bieten ab sofort neue Möglichkeiten, die gemäß einem Überschusssinn, den jedes neue Medium impliziert, ausgenutzt werden. Das macht diese Unterscheidung umso wichtiger.

Die Herausforderung besteht darin, beide Kommunikationsformen in ihrer jeweiligen Eigenlogik zu stärken, ohne sie zu vermischen. Die Neue Versorgungskommunikation kann so zu einem Schlüsselelement einer Gesundheitsversorgung werden, die den Menschen in seiner Ganzheit würdigt – jenseits konsumistischer Verengungen und technokratischer Reduktionen.


Frank Stratmann

Ich bin Frank Stratmann – ein erfahrener Foresight- und Kommunikationsdesigner, der mit Leidenschaft für Fachkräfte im Gesundheitswesen arbeitet.
Auch bekannt als @betablogr.

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Ich bin Frank Stratmann – ein erfahrener Foresight- und Kommunikationsdesigner, der mit Leidenschaft für Fachkräfte im Gesundheitswesen arbeitet.
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