Handeln mit Zitronen

Donnerstag, 30. Oktober 2025

Werden wir bald ChatGPT als kunstverständigen Kurator erleben? Wenn KI uns nicht nur informiert, sondern auch neugierig macht? Vielleicht ist das der neue Weg, Gesundheitskompetenz zu fördern – oder einfach ›Handeln mit Zitronen‹.

Vignette

Ich habe ChatGPT beauftragt, ein Bild der zumeist geschützten Originale nachzuempfinden.

Im Jahr 1985 war ich 11 Jahre jung und von Joseph Beuys' Fettecke hatte ich schon gehört.

Derzeit höre ich das aktuelle Buch von Hanno Sauer mit dem Titel ›Klasse‹. Darin geht es kurz um die Capri-Batterie. Wer das nicht unter der Kategorie »Ist das Kunst, oder kann das weg?« abhandelt, sendet teure Signale. Also dann.

Von dieser Batterie wiederum habe ich noch nie gehört. Also wollte ich sehen, worum es da geht. Schon, weil es wenig kostspielig ist, das heute 2025 herauszufinden. Was hätte ich 1985 getan? Von der Butter hatte ich nur gehört, sie damals aber nie gesehen.

Etwas zurückhaltend fragte ich ein mir zugängliches Sprachmodell, worum es dabei ging und wie groß eigentlich die Energie ist, die eine Zitrone speichert. Im Physikunterricht habe ich hinreichend aufgepasst. Ich kann mir also erklären, dass die von Beuys angesetzten 1000 Stunden sich nicht auf die Kilojoule, sondern auf das Drumherum beziehen müssten.

Was ich eigentlich sagen will: Da ich mich mit einer Frage aus dem Spektrum Physik an ChatGPT wandte, blieb das LLM auf meiner Spur und fragte: »Möchtest du, dass ich dir die physikalische Energie einer Zitrone einmal in Wattstunden umrechne und mit der Leistung einer Glühbirne vergleiche?« An dieser Stelle brach ich die Unterhaltung ab.

Was meinst du? Werden wir bald schon erleben, dass ChatGPT als kunstverständiger Kurator das Gespräch anders führt, will sagen, beantwortet und am Laufen hält? Was, wenn mich ChatGPT, wie früher beim Surfen mithilfe von Links, in andere Fettecken lockt, nicht um meinem physikalischen Interesse zu entsprechen, sondern es damit beginnt, mich neugierig zu machen?

Serendipität auf Steroid. Bestenfalls versucht es nicht, mich im Sinne des Retargeting als Konsument zu identifizieren. In meiner Wissbegierde könnte es ja einen Bildungsauftrag erkennen wollen, der mich schlauer macht. Dann würde ich womöglich mit der Tatsache konfrontiert, dass der Begriff »Batterie« vom lateinischen »battere« (schlagen) stammt und im Französischen ursprünglich eine Anordnung von Geschützen bezeichnete – mehrere Kanonen, die gemeinsam feuern. Im 18. Jahrhundert wurde diese Bedeutung auf die Physik übertragen: mehrere galvanische Zellen, die ›in Reihe geschaltet‹ kombiniert wurden. Der gemeinsame Nenner ist die Idee der ›gebündelten Wirkung‹.

Noch was anderes: Was ist eigentlich, wenn die Menschen jetzt immer seltener ihre Indikationen in den Google-Schlitz werfen, sondern mit einem Sprachmodell besprechen? Jeder Vierte tut das, behauptet Deloitte in einer Einschätzung aus September 2025:

»Knapp ein Viertel der Bevölkerung nutzt bereits KI-Anwendungen im Gesundheitskontext.«

Müssen wir uns noch strukturell um Gesundheitskompetenz kümmern? Oder ist das schon »Handeln mit Zitronen«?

Frank Stratmann

VERFÜGBAR AUF ANFRAGE

Ich bin Frank Stratmann – ein Cultural-Foresight-Analyst und Designer für deliberative Kommunikation.
Bekannt als @betablogr.

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