ACTION-Cycle
Rekonstruktion
Werte & Strategien
Neue Werte & Strategien
Cultural Strategic Foresight
Die Phase "Neue Werte & Strategien" im Cultural Strategic Foresight Framework verbindet theoretische Reflexion mit praktischer Umsetzung, indem sie neue Werte und Handlungsstrategien entwickelt, die auf deliberativen Prozessen basieren und sowohl Transformation als auch Kontinuität berücksichtigen. Herausforderungen liegen in der Balance zwischen universellen Prinzipien und kontextspezifischer Umsetzung sowie in der Notwendigkeit tiefgreifender kultureller Veränderungen für nachhaltige Wirksamkeit.
Verfasst von: Frank Stratmann
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Update vom 10.07.2025
Die normative Synthese kultureller Transformation
Die Stufe »Neue Werte & Strategien« bildet den Kulminationspunkt des Rekonstruktionsprozesses im Cultural Strategic Foresight Framework. Sie repräsentiert die Synthese der vorausgegangenen Entwicklungsstufen und manifestiert sich als Brücke zwischen theoretischer Reflexion und praktischem Handeln. Nach der Etablierung neuer Narrative, der Kultivierung neuer Gewissheiten und der Formulierung neuer Anliegen folgt nun die deliberative Ausgestaltung konkreter Werte und strategischer Handlungsfelder.
Theoretische Grundierung
Die Stufe der »Neuen Werte & Strategien« gründet auf einer Theorie praktischer Vernunft, die moralische Urteile nicht als subjektive Präferenzen, sondern als Resultate deliberativer Prozesse begreift. Sie operiert an der Schnittstelle von epistemischer Fundierung und normativer Handlungsorientierung. Die vorausgehenden Stufen der Rekonstruktion haben bereits den Boden bereitet. Die neuen Narrative haben alternative Erzählungen und Metaphern etabliert, die neuen Gewissheiten haben frische epistemische Fundamente kultiviert, und die neuen Anliegen haben systemische Transformationsfelder definiert.
Die Besonderheit dieser Stufe liegt in ihrer Doppelrolle. Einerseits konkretisiert sie die bisher erarbeiteten Erkenntnisse in handlungsleitende Werte und praktische Strategien. Andererseits reflektiert sie kritisch die normative Dimension dieser Handlungsorientierungen. Sie entspricht damit dem, was in der Theorie praktischer Vernunft als »Deliberation normativer Handlungen« bezeichnet wird – ein Prozess des sorgfältigen Abwägens von Gründen für bestimmte Werthaltungen und Handlungsstrategien.
Methodische Umsetzung
Die Entwicklung neuer Werte und Strategien folgt einem strukturierten Prozess, der sowohl analytische als auch kreative Elemente umfasst. Ausgangspunkt ist die kritische Reflexion bestehender Werte und Strategien, die in der Phase der Dekonstruktion offengelegt wurden. Diese werden nun nicht einfach ersetzt, sondern transformativ weiterentwickelt.
Die methodische Vorgehensweise beinhaltet folgende Schritte. Zunächst erfolgt die Identifikation jener Kernwerte, die aus den neuen Narrativen, Gewissheiten und Anliegen erwachsen. Diese werden nicht willkürlich gesetzt, sondern deliberativ aus dem bisherigen Rekonstruktionsprozess abgeleitet. Sie müssen sowohl authentisch zur Perspektive des handelnden Akteurs passen als auch den Prinzipien kritischer Vernunft und ethischer Verantwortung entsprechen.
Anschließend werden strategische Handlungsfelder definiert, die diese Werte in konkretes Handeln übersetzen. Hierbei ist die Balance zwischen visionärer Transformation und praktischer Umsetzbarkeit entscheidend. Die Strategien müssen zugleich ambitioniert und realistisch sein, um tatsächliche Veränderung bewirken zu können.
Die normative Dimension
Im Gegensatz zu relativistischen oder rein konstruktivistischen Ansätzen verfolgt das Cultural Strategic Foresight Framework einen moralischen Realismus. Es geht davon aus, dass Werte nicht beliebig konstruiert, sondern in einer gemeinsamen Realität verankert sind. Die neuen Werte müssen sich daher an objektiven Kriterien messen lassen und einer kritischen Prüfung standhalten.
Die Deliberation als Praxis des Abwägens von Gründen bildet dabei den Kern menschlicher Freiheit und Rationalität. Sie ist keine bloße Introspektion subjektiver Wünsche, sondern eine komplexe Praxis des Gründe-Gebens und Gründe-Nehmens in sozialen und strukturellen Kontexten. Diese Abwägungspraxis ist eingebettet in eine strukturell-rationale Lebenspraxis, in der theoretische und praktische Gründe als komplexes, holistisches Ganzes verstanden werden.
Die Definition unterstützender Kernwerte beschränkt sich dabei nicht auf abstrakte Ideale, sondern umfasst konkrete Handlungsorientierungen. Diese Werte sollten authentisch zur Perspektive des Akteurs und seinen bereits erarbeiteten neuen Narrativen und Gewissheiten passen. Gleichzeitig müssen sie die Prinzipien des Humanismus, der kritischen Vernunft und der ethischen Verantwortung widerspiegeln.
Herausforderungen und Grenzen
Die Entwicklung und Implementierung neuer Werte und Strategien ist mit spezifischen Herausforderungen verbunden. Eine zentrale Schwierigkeit liegt in der Balance zwischen Transformation und Kontinuität. Die neuen Werte und Strategien müssen einerseits einen deutlichen Bruch mit problematischen Mustern markieren, andererseits aber an bestehende kulturelle Ressourcen anknüpfen, um Resonanz zu finden.
Eine weitere Herausforderung betrifft die Spannung zwischen Universalität und Kontextualität. Die Theorie praktischer Vernunft strebt nach universell gültigen Prinzipien, während die konkrete Umsetzung stets kontextspezifisch erfolgen muss. Diese Spannung aufzulösen oder zumindest produktiv zu gestalten, bleibt eine fortlaufende Aufgabe.
Schließlich stellt sich die Frage nach der Wirksamkeit und Nachhaltigkeit der neuen Werte und Strategien. Ihre Implementierung erfordert nicht nur kognitive Zustimmung, sondern tiefgreifende kulturelle Veränderungen. Diese vollziehen sich nicht linear oder mechanistisch, sondern in komplexen, oft widersprüchlichen Prozessen.
Ergo
Die Stufe »Neue Werte & Strategien« repräsentiert den Schlussstein im Rekonstruktionsprozess des Cultural Strategic Foresight Frameworks. Sie verbindet theoretische Reflexion mit praktischer Veränderung und schafft damit die Voraussetzungen für tatsächlichen kulturellen Wandel. Durch die deliberative Entwicklung handlungsleitender Werte und konkreter Strategien überwindet sie die Kluft zwischen Analyse und Handlung, zwischen Kritik und Gestaltung.
In ihrer Doppelrolle als normative Orientierung und praktische Handlungsanleitung verkörpert sie den synthetischen Charakter des gesamten Frameworks. Sie zeigt, dass kulturelle Vorausschau nicht bei der Analyse bestehender Trends oder der Entwicklung alternativer Szenarien stehen bleibt, sondern aktiv zur Gestaltung wünschenswerter Zukünfte beiträgt. Damit leistet sie einen wesentlichen Beitrag zur Entwicklung einer »realistischen Wirklichkeit«, die erkenntnistheoretischen Realismus mit praktischer Veränderungskraft verbindet.
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