Gesundheitskommunikation
Neue Werte
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Phase: Neue Werte
Communityship
Communityship ist ein von Henry Mintzberg geprägtes Konzept, das die Bedeutung von Gemeinschaft und kollektivem Engagement in Organisationen betont. Im Gegensatz zur hierarchischen Führung (Leadership) stellt Communityship das soziale Gefüge, Vertrauen und Respekt ins Zentrum und ermöglicht dadurch natürliche Kooperation – besonders relevant für professionelle Bürokratien wie das Gesundheitswesen.
Verfasst von: Frank Stratmann
Gesundheitskommunikation
Update vom 15.10.2025
Communityship ist ein von Henry Mintzberg entwickeltes Organisationskonzept, das als bewusste Ergänzung und teilweise als Alternative zum traditionellen Leadership-Begriff verstanden werden muss. Während Führung den Fokus auf einzelne Anführer und hierarchische Strukturen legt, betont Communityship die Bedeutung des sozialen Gefüges und des Engagements aller Mitglieder einer Organisation.
Kernidee und Abgrenzung
Mintzberg argumentiert, dass echte, funktionierende Gemeinschaften auf Respekt und Vertrauen basieren und so eine natürliche Form der Kooperation ermöglichen. Communityship ist für ihn kein ›Soft Skill‹, sondern der entscheidende Mechanismus, der es hochqualifizierten Fachleuten ermöglicht, ihr Wissen zu bündeln und komplexe Probleme zu lösen.
Communityship statt Leadership: Der Fokus verschiebt sich vom individuellen Anführer zur kollektiven Handlungsfähigkeit der Gemeinschaft.
Verhältnis zur Kooperation
Communityship und Kooperation stehen in einem engen Wechselverhältnis. Während Kooperation den Prozess der Zusammenarbeit beschreibt, bezeichnet Communityship die organisationale Haltung und Kultur, die echte Kooperation erst ermöglicht.
Kooperation ohne Communityship bleibt oft instrumentell und strategisch – eine zeitlich begrenzte Zweckgemeinschaft zur Hebung von Vorteilen im Wettbewerb (vergleiche Coopetition). Kooperation mit Communityship hingegen gründet auf einer geteilten Identität, gemeinsamen Werten und dem Bewusstsein, Teil eines größeren Ganzen zu sein.
Relevanz für das Gesundheitswesen
Das Gesundheitswesen ist nach Mintzbergs Typologie eine professionelle Bürokratie, in der hochqualifizierte Spezialist:innen (Ärzte, Pflegekräfte, Therapeuten) zusammenarbeiten müssen. Die Koordination kann nicht primär über Hierarchie oder starre Regeln erfolgen, sondern muss durch kollegiale Abstimmung und echte Gemeinschaft geschehen.
In der aktuellen Transformation des Gesundheitswesens zeigt sich die Bedeutung von Communityship besonders deutlich:
Regionale Versorgungssteuerung: Aktuelle Initiativen zur digitalen Gesundheitsversorgung betonen explizit den ›Community-Gedanken‹ als Schlüssel zum Erfolg. Die Bildung von ›Zuversichtsgemeinschaften‹ und ›Schicksalsgemeinschaften‹ auf kommunaler Ebene erfordert mehr als bloße Kooperationsverträge – sie braucht eine gemeinschaftliche Haltung.
Überwindung des Wettbewerbsdenkens: Der seit Einführung der DRG verstärkte Wettbewerb zwischen Krankenhäusern muss zurück in kooperative Strukturen gelenkt werden. Dies gelingt nur durch einen Kulturwandel weg vom Konkurrenzdenken hin zu einer kooperativen Haltung im Sinne der Patientinnen und Patienten.
Netzwerkbildung: Telemedizinische Netzwerke und intersektorale Versorgungsmodelle funktionieren nur, wenn offene und transparente Kommunikation, gegenseitiges Vertrauen und die Konsentierung gemeinsamer Vorstellungen im Vordergrund stehen – also Communityship gelebt wird.
Praktische Implikationen
Für Gesundheitseinrichtungen bedeutet Communityship konkret:
Bindungsorientierung statt Transaktionsorientierung: Das Gesundheitswesen muss wieder ein bindungsorientierter Markt werden, in dem langfristige Gesundheitsbeziehungen im Mittelpunkt stehen.
Deliberative Strukturen: Die Beteiligung aller Stakeholder – von Pflegekräften bis zur Geschäftsführung, von Patienten bis zu kommunalen Akteuren – an Entscheidungsprozessen.
Community als Infrastruktur: Nicht einzelne IT-Projekte oder Managementinitiativen, sondern die Pflege und Entwicklung von Communitys wird zum strategischen Erfolgsfaktor.
Verhältnis zu anderen Konzepten im Kompendium
Neue Versorgungskommunikation: Communityship ist eine der vier tragenden Säulen (neben Genügsamkeit, Befähigung und Verantwortlichkeit), die eine menschenzentrierte Versorgung ermöglichen.
Genügsamkeit: Während Genügsamkeit die Qualität der Leistung betont, definiert Communityship die Qualität der Beziehung zwischen den Akteuren.
Kooperation: Communityship schafft die kulturelle Grundlage, auf der strukturell rationale Kooperation gedeihen kann.
Mehr über Neue Versorgungskommunikation erfährst Du hier.
Kritische Würdigung
Mintzbergs Konzept ist keine romantische Verklärung von Gemeinschaft.
Es anerkennt die Komplexität professioneller Organisationen und die Notwendigkeit von Strukturen. Communityship ersetzt Leadership nicht, sondern ergänzt es.
Das Gesundheitswesen steht durch Kommodifizierungstendenzen, Digitalisierung und Fachkräftemangel unter Druck. Hier bietet Communityship jedoch einen wichtigen Gegenpol zu rein effizienzgetriebenen Managementansätzen.
Die Herausforderung liegt darin, Communityship nicht nur als theoretisches Ideal zu verstehen, sondern es in konkreten Strukturen, Prozessen und – vorwiegend – in der gelebten Organisationskultur zu verankern.
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