Mensch
Digital Humanism
Digital Literacy
ID BTBLGR-CMP-24
Kapitel 12.1
Berechenbarkeit
Verantwortungsvolle KI-Kompetenzstandards
Die Diskussion über die Grenzen der Algorithmisierung des menschlichen Denkens beleuchtet ethische und philosophische Fragen, insbesondere durch das Halteproblem und Gödels Unvollständigkeitssätze. Die Unvorhersehbarkeit menschlicher Entscheidungen und das subjektive Erleben stehen im Gegensatz zur vollständigen Algorithmisierung, was grundlegende Fragen zu Freiheit und Verantwortung aufwirft in einer zunehmend automatisierten Welt.
Verfasst von: Frank Stratmann
BTBLGR-CMP-24
Update vom 14.04.2025
Zur mathematischen Berechenbarkeit menschlichen Denkens
Die fortschreitende Digitalisierung und Automatisierung unserer Welt nährt zunehmend die Befürchtung, dass das menschliche Bewusstsein durch Maschinen überwindbar sein könnte. Diese Sorge speist sich aus der Beobachtung, dass wir bereits begonnen haben, menschliches Handeln in einem Maße zu formalisieren, das unsere Freiheit und damit auch unsere Verantwortung infrage stellt.
Die Vorstellung einer vollständig algorithmisierten Existenz wirft tiefgreifende ethische und philosophische Fragen auf, die im Kontext des »Digitalen Humanismus« von zentraler Bedeutung sind.
Ein grundlegendes Problem, das die Idee einer vollständigen Algorithmisierung des Menschen infrage stellt, ist das Halteproblem in der Informatik. Es beweist, dass es prinzipiell unmöglich ist, einen Algorithmus zu entwickeln, der für jedes beliebige Computerprogramm und jede beliebige Eingabe entscheiden kann, ob das Programm jemals terminieren wird oder nicht. Obwohl das Halteproblem spezifisch für Computerprogramme gilt, illustriert es eine grundlegende Grenze der Berechenbarkeit. Es zeigt, dass es bestimmte Arten von Unvorhersehbarkeit gibt, die sich einer algorithmischen Erfassung entziehen. Diese Unvorhersehbarkeit ist ein wesentlicher Aspekt menschlicher Deliberation.
Die Unvollständigkeitssätze von Kurt Gödel liefern einen weiteren wichtigen Beitrag zu dieser Diskussion. Sie zeigen, dass es in jedem hinreichend mächtigen formalen System wahre Aussagen gibt, die innerhalb dieses Systems nicht beweisbar sind, und dass kein konsistentes formales System seine eigene Widerspruchsfreiheit beweisen kann. Gödels Sätze setzen Grenzen für die Fähigkeit formaler Systeme, die Komplexität der Wahrheit und der menschlichen Erkenntnis vollständig zu erfassen.
Zwei wichtige Facetten der Debatte werden durch folgende Überlegungen deutlich:
Ich ist nicht Gehirn (Markus Gabriel): Der Philosoph Markus Gabriel, ein Vertreter des Neuen Realismus, betont in seinem Ansatz des Neo-Existenzialismus, dass unser subjektives Empfinden und unser Bewusstsein nicht einfach auf die physischen Prozesse im Gehirn reduziert werden können. Diese Perspektive unterstreicht die Bedeutung der ersten Person-Perspektive und die Herausforderung, das subjektive Erleben vollständig zu objektivieren.
Praktische Vernunft und Nicht-Algorithmizität (Julian Nida-Rümelin): Der Philosoph Julian Nida-Rümelin bezieht sich in seiner Theorie der Praktischen Vernunft unter anderem auf Gödels Sätze, um die Nicht-Algorithmizität menschlicher Deliberation zu betonen. Die Unvorhersehbarkeit menschlicher Entscheidungen, ein Aspekt, der eng mit dem Halteproblem verwandt ist, stellt eine erhebliche Herausforderung für die Idee einer vollständigen Algorithmisierung des menschlichen Denkens dar.
Weitere wichtige Denker und Perspektiven:
Die Diskussion über die Grenzen der Algorithmisierung des Menschen wird von einer Vielzahl von Denkern und Disziplinen geprägt. Dazu gehören:
Philosophische Perspektiven: Thomas Nagel, David Chalmers, John Searle
Neurowissenschaftliche Perspektiven: Antonio Damasio, Gerald Edelman
Logische und Mathematische Überlegungen: Roger Penrose
Schlussfolgerung
Die Debatte über die Grenzen der Algorithmisierung des Menschen ist von entscheidender Bedeutung, auch wenn sie auf den ersten Blick vom Alltag der Menschen abgelöst erscheinen mag. Die Lebenspraxis vieler Menschen ist jedoch bereits stark von regelbasiertem Vorgehen geprägt. Wenn wir in Zukunft in einer zunehmend algorithmisierten Welt leben, in der menschliche Deliberation durch automatisierte Systeme ersetzt wird, müssen wir uns mit grundlegenden Fragen der Freiheit und Verantwortung auseinandersetzen.
Die Vorstellung, dass Menschen in einer von Algorithmen vorgeschriebenen Ordnung für Fehler verantwortlich gemacht werden, ohne die Möglichkeit zu haben, ihre eigenen Überlegungen einzubringen, wirft beunruhigende Szenarien auf, die an dystopische Visionen wie in George Orwells »1984« erinnern. Es ist daher unerlässlich, diese Diskussion mit Nachdruck zu führen, um sicherzustellen, dass die Entwicklung der Technologie im Einklang mit den Werten des »Digitalen Humanismus« steht und die Würde und Autonomie des Menschen respektiert.
ID BTBLGR-CMP-24
Kapitel 12.1
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