Gesundheitspolitik
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Phase: Mythos
Gamification
Gamification im Gesundheitsbereich kann das Engagement fördern, birgt jedoch die Gefahr der Individualisierung von Gesundheitsverantwortung und Schuldzuweisungen. Langfristige Verhaltensänderungen sind fraglich, da soziale und strukturelle Faktoren oft ignoriert werden. Ein patientenorientierter Ansatz sollte auf umfassende Gesundheitsbildung setzen, anstatt sich nur auf spielerische Elemente zu stützen.
Verfasst von: Frank Stratmann
Gesundheitspolitik
Update vom 08.07.2025
Die Ambivalenz der Gamification im Gesundheitskontext
Die Gamification gesundheitsbezogenen Verhaltens – ein vielversprechender Ansatz, der durch Spielelemente das Engagement für die eigene Gesundheit steigern soll – verdient eine kritische Betrachtung. Der vermeintliche Erfolg dieser Strategie basiert auf einer problematischen Prämisse. Die Übertragung von Verantwortung auf das Individuum bei gleichzeitiger Vereinfachung komplexer Gesundheitszusammenhänge.
Gamification als Werkzeug der Gesundheitsintervention reduziert die Vielschichtigkeit gesundheitlicher Entscheidungen auf spielerische Elemente, wodurch strukturelle Determinanten von Gesundheit in den Hintergrund geraten. »Die Infantilisierung des Gesundheitsgeschehens« wird dabei zum unbeabsichtigten Nebenprodukt. Während die zugrundeliegende Absicht – die Förderung gesundheitsbewussten Verhaltens – lobenswert erscheint, führt die implizite Logik der Gamification zu einer Individualisierung der Gesundheitsverantwortung.
Besonders kritisch ist die »Schuldzuweisung«, die entsteht, wenn Menschen trotz spielerischer Anreize gesundheitliche Ziele nicht erreichen. Die Mitverantwortung des Einzelnen zu seiner Gesundheit darf keine Schuldzuweisungen implizieren, doch genau diese Dynamik entsteht unweigerlich, wenn Gesundheit zum individualisierten Spiel wird. Die subtile Verschiebung gesellschaftlicher Verantwortung auf den Einzelnen manifestiert sich hier besonders deutlich.
Zudem bleibt fraglich, ob die durch Gamification erzeugte extrinsische Motivation langfristig tragfähig ist. Die vorübergehende Steigerung der Adhärenz durch Punktesysteme, Ranglisten und virtuelle Belohnungen kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass die zugrundeliegenden Verhaltensänderungen häufig oberflächlich bleiben. Ohne Berücksichtigung sozialer, ökonomischer und struktureller Faktoren, die Gesundheitsverhalten maßgeblich beeinflussen, bleibt Gamification ein technokratischer Lösungsansatz für ein multidimensionales Problem.
Ein wirklich patientenorientierter Ansatz müsste über die scheinbare Ermächtigung durch Spielelemente hinausgehen und stattdessen auf eine umfassende Gesundheitsbildung setzen, die Menschen befähigt, informierte Entscheidungen zu treffen – jenseits von Punktesystemen und digitalen Abzeichen. Nur so kann Gesundheit als »innere Haltung« und nicht als »Konsumgut« verstanden werden.
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