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Markus Gabriel argumentiert, dass Menschen auf Weltbilder angewiesen sind, um ihr Leben zu verstehen, und dass diese Weltbilder nicht neutral sind, sondern unser Verhalten und unsere ethischen Überzeugungen prägen. Er unterscheidet zwischen Weltbildern und Ideologien, wobei er warnt, dass bestimmte zeitgenössische Ansichten wie Physikalismus und moralischer Nihilismus gefährlich sind. Die Philosophie dient als Mittel zur Erkennung und Korrektur falscher Weltbilder, indem sie zur rationalen Prüfung und Selbstkorrektur anregt.
Verfasst von: Frank Stratmann
Philosophie
Update vom 23.07.2025
Die Unvermeidlichkeit des Weltbildes
Markus Gabriel entfaltet in seinem neo-existenzialistischen Ansatz eine zentrale Einsicht über die conditio humana: Menschen sind qua ihrer Natur darauf angewiesen, ihr Leben »im Licht einer Vorstellung von sich« zu führen. Diese fundamentale Charakterisierung des Menschseins bedeutet, dass wir notwendigerweise über Weltbilder verfügen – nicht als optionales Beiwerk unserer Existenz, sondern als konstitutives Element dessen, was es heißt, ein Mensch zu sein.
Gabriel präzisiert diesen Gedanken: »Jeder Mensch hat eine implizite oder explizite Antwort, häufig überliefert. »Man hat es zu Hause gehört, also irgendeine Antwort darauf, was es bedeutet, ein Mensch zu sein.« Selbst jene, die von sich behaupten, kein Weltbild zu besitzen, täuschen sich über sich selbst. Die Behauptung der Weltbildlosigkeit ist bereits Ausdruck eines spezifischen Weltbildes – nämlich desjenigen, das die Möglichkeit der Selbstverortung leugnet.
Das Wesen von Weltbildern
Weltbilder konstituieren sich als umfassende Orientierungsrahmen, die sowohl unser Selbstverständnis als auch unsere Einordnung in die weitere Wirklichkeit bestimmen. Sie beantworten die Frage danach, »wie wir ins Universum als Ganzes passen«, wie wir uns zu anderen Menschen, zu Tieren, zur unbelebten Natur und zu möglichen transzendenten Dimensionen verhalten.
Diese Weltbilder sind keineswegs neutral oder folgenlos. Gabriel betont ihre praktische Wirkmächtigkeit mit einem prägnanten Beispiel: Ein Philosoph wie Richard Dawkins, der Menschen als »hochgerüstete Killeraffen« begreift, wird sich im Alltag fundamental anders verhalten als Papst Franziskus, der von einer unsterblichen Seele ausgeht. Die existenziellen Konsequenzen reichen von grundlegenden Lebenspraktiken – beten oder nicht beten, fasten oder nicht fasten – bis zu ethischen Orientierungen und zwischenmenschlichen Beziehungen.
Die Möglichkeit des Irrtums
Hier offenbart sich Gabriels entscheidende Abweichung von klassischen existenzialistischen Positionen. Während Sartre oder Heidegger dachten, »dass es in einem bestimmten Sinne keine Wahrheit über uns gibt«, beharrt Gabriel auf der Existenz objektiv richtiger Antworten über die menschliche Natur. Seine Philosophie des »Neuen Realismus« fundiert den Neo-Existenzialismus in der »Anerkennung einer von uns partiell unabhängigen Wirklichkeit«.
Diese realistische Wendung hat weitreichende Implikationen: »Zum Beispiel habe ich entweder eine unsterbliche Seele oder ich habe keine. »Glaube ich jetzt, eine zu haben, habe aber keine, ist das eine spezifische Form der Täuschung.« Weltbilder sind demnach nicht bloße Konstruktionen oder gleichberechtigte Perspektiven, sondern können an der Wirklichkeit scheitern oder sich als zutreffend erweisen.
Der Übergang zur Ideologie
Weltbilder werden problematisch, wenn sie sich gegen Korrekturen immunisieren und zu Ideologien erstarren. Gabriel identifiziert drei besonders schädliche zeitgenössische Irrtümer: den Physikalismus, der behauptet, nur naturwissenschaftlich Messbares sei real; den Neuronalismus, der geistige Phänomene auf Gehirnprozesse reduziert; und den moralischen Nihilismus, der objektive ethische Wahrheiten leugnet.
Diese Weltbilder werden zu einem »globalen Irrtumsfeld«, das uns »an den Rand der Selbstzerstörung gebracht« hat. Ihre Gefährlichkeit liegt nicht nur in ihrer theoretischen Falschheit, sondern in ihren praktischen Konsequenzen für menschliches Handeln und gesellschaftliche Organisation.
Erkennung und Korrektur
Die Erkennung problematischer Weltbilder erfordert philosophische Aufmerksamkeit für ihre Grundannahmen und Implikationen. Gabriel versteht Philosophie als »Intervention in den Zeitgeist«, die nach »teils verborgenen, und teils auch ganz offenkundigen Fehlschlüssen und eben für uns als Menschen gefährlichen Irrtümern« sucht.
Der Korrektivmechanismus liegt im dialogischen Verfahren der Philosophie selbst: Weltbilder müssen sich der rationalen Prüfung stellen und können durch bessere Argumente revidiert werden. Gabriel betont: »Die Philosophie ist die Therapie von den falschen Bildern.« Entscheidend ist dabei die Bereitschaft zur Selbstkorrektur – die Maxime, »dass der andere recht haben könnte«, ohne jedoch die eigene Überzeugung vorschnell aufzugeben.
Die Erkennung ideologischer Verstellungen erfordert letztlich die Wiedergewinnung dessen, was Gabriel das »Gewissen« nennt – jene moralische Sensibilität, die in jeder Situation ihre »moralische Ladung« zu erfassen vermag und uns befähigt, sowohl theoretische als auch praktische Irrtümer zu korrigieren.
Warum sind Weltbilder so sensibel?
Dieser Beitrag wurde wesentlich durch ein Gespräch zwischen Markus Gabriel und Wolfgang Eilenberger inspiriert. Weltbilder spielen im Cultural (Strategic) Foresight eine hervorgehobene Rolle, da sie selbst dann, wenn sie nicht zur Ideologie erstarren, kontraproduktiv sein können, was künftige Entwicklungen und die Reproduktion von falschen Annahmen betrifft. Die Schicht der Weltbilder und Ideologien in der Phase der Dekonstruktion im Rahmen der Causal Layered Analysis (CLA) ist ein nicht ganz einfacher, aber wichtiger Schritt in der Analyse. Wir reichen diese Perspektive nach, weil der Neue Realismus und damit der Neo-Existenzialismus unser Weltbild von einem an Tatsachen orientierten »Doing Future« für richtig erachten. Sollten Sie als Leser Einwände haben, nur zu. Nutzen Sie unser +ZEITGESCHENK und buchen Sie ein unverbindliches Gespräch.
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