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Mythen als soziale Technologie

Cultural Strategic Foresight

Der Mensch unterscheidet sich durch die Fähigkeit zur Kooperation über enge Verwandtschaft hinaus, ermöglicht durch kollektive Mythen, die als „imagined orders“ fungieren. Diese Mythen sind fragil und erfordern ständige Bestätigung und Rituale, um Stabilität zu gewährleisten, während sie individuelle Wünsche formen und steuern. Im Gegensatz dazu existieren natürliche Ordnungen unabhängig vom Glauben und bieten objektive Grundlagen für wissenschaftliches Wissen.

Verfasst von: Frank Stratmann

4.01

Update vom 15.07.2025

Die Fähigkeit zur Kooperation über die Grenzen enger Verwandtschaft hinaus unterscheidet den Homo sapiens fundamental von den meisten anderen Spezies. Während im Tierreich die Zusammenarbeit oft auf genetische Nähe beschränkt bleibt, vermag der Mensch, Armeen, komplexe Kirchenstrukturen oder globale Lieferketten zu organisieren. Dieses Phänomen gelingt, weil Menschen abstrakten Symbolen – sei es eine Flagge, die Vorstellung eines Gottes oder ein Unternehmenslogo – kollektiv Bedeutung verleihen.

Diese kollektiv vereinbarten und durch Handlungen sowie Überzeugungen aufrechterhaltenen Mythen werden von Yuval Noah Harari als „imagined orders“ bezeichnet. Im Gegensatz dazu stehen „natural orders“, wie die Naturgesetze der Gravitation oder die Eigenschaften von Protonen und Elektronen, die unabhängig vom menschlichen Glauben existieren.

Ein Geldschein ist physisch betrachtet nichts weiter als bedrucktes Papier. Sein Wert entsteht erst durch eine geteilte Erzählung. Die Geschichte „Dieses Stück Papier repräsentiert Wert“ ist der eigentliche Motor seiner Akzeptanz. In diesem Sinne fungieren Mythen wie ein Betriebssystem für die kollektive Wirklichkeit. Sie definieren gemeinsame Schnittstellen wie Vertrauen, Eigentum und Identität. Ohne diese grundlegenden, oft unhinterfragten Annahmen wären komplexe Gesellschaften schlicht nicht funktionsfähig; sie bilden das unsichtbare Protokoll, das unser Zusammenleben erst ermöglicht.

Die »imaginierten Ordnungen« (imagined orders) sind von Natur aus fragil. Harari betont, dass sie „immer vom Kollaps bedroht, weil sie auf Mythen beruhen, und Mythen verschwinden, sobald die Menschen aufhören, an sie zu glauben“. Diese inhärente Zerbrechlichkeit führt paradoxerweise zu einer konstanten Notwendigkeit der Bestätigung und rituellen Verstärkung.

Gesellschaften investieren kontinuierlich in Rituale und Institutionen – wie die Roben von Richtern, die ihren Entscheidungen Glaubwürdigkeit verleihen, oder das Abspielen der Nationalhymne vor Sportveranstaltungen, um die Fiktion der Nation zu bekräftigen. Diese fortwährende rituelle und institutionelle Pflege ist der Mechanismus, durch den die scheinbar fragile Natur dieser geteilten Fiktionen in eine dauerhafte Stabilität überführt wird. Die Zerbrechlichkeit selbst wird zum Motor einer dynamischen, performativen Aufrechterhaltung des kollektiven Betriebssystems.

Moderne „imagined orders“, wie der Konsumismus, sind tief in die menschlichen Wünsche und Sehnsüchte eingegraben. Harari weist darauf hin, dass Menschen in eine bereits bestehende „imagined order“ hineingeboren und ihre Wünsche von Geburt an durch deren dominante Mythen geformt werden. Selbst scheinbar persönliche Wünsche, wie der Wunsch nach einem Auslandsurlaub, sind nicht natürlich, sondern durch Mythen des romantischen Konsumismus programmiert. Die Tourismusbranche verkauft nicht bloß Flüge und Hotels, sondern Erfahrungen, die den Horizont erweitern und glücklicher machen sollen.

Dies verdeutlicht, wie kollektive Mythen selbst die intimsten individuellen Bestrebungen steuern können, ähnlich wie die Eliten des alten Ägypten Vermögen für Pyramiden ausgaben, anstatt an Reisen zu denken. Dies offenbart, dass das, was als freier Wille oder individuelle Entscheidung wahrgenommen wird, stark durch das kollektive mythische Betriebssystem vermittelt wird. Die dominanten Mythen formen und programmieren die individuellen Wünsche, wodurch diese Wünsche zu den wichtigsten Verteidigungsmechanismen der „imagined order“ werden.

Merkmale im Vergleich: Imaginierte vs. Natürliche Ordnungen

Grundlage

  • Imaginierte Ordnungen: Geteilte Überzeugungen, kollektive Vereinbarung, Narrative

  • Natürliche Ordnungen: Objektive Beobachtungen, wissenschaftliche Theorien, empirische Evidenz

Existenz

  • Imaginierte Ordnungen: Existieren nur, wenn Menschen an sie glauben und sie aufrechterhalten

  • Natürliche Ordnungen: Existieren unabhängig vom menschlichen Glauben (z. B. Gravitation)

Zerbrechlichkeit

  • Imaginierte Ordnungen: Inhärent, fragil, anfällig für den Zusammenbruch, wenn der Glaube schwindet

  • Natürliche Ordnungen: Stabil und funktionieren auch dann, wenn der Glaube aufgegeben wird

Aufrechterhaltung

  • Imaginierte Ordnungen: Erfordern ständige Wachsamkeit, Rituale und Verstärkung

  • Natürliche Ordnungen: Unabhängig von menschlichem Glauben oder Ritual

Gesellschaftliche Rolle

  • Imaginierte Ordnungen: Ermöglichen großangelegte menschliche Kooperation, formen Institutionen, programmieren Wünsche

  • Natürliche Ordnungen: Liefern grundlegende Gesetze des Universums, Basis für wissenschaftliches Wissen

Beispiele

  • Imaginierte Ordnungen: Geld, Nationen, Religionen, Konsumismus, Gottesgnadentum der Könige

  • Natürliche Ordnungen: Lichtgeschwindigkeit, Protonen und Elektronen, Gravitation

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Frank Stratmann

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Ich bin Frank Stratmann – ein Cultural-Foresight-Analyst und Designer für deliberative Kommunikation.
Bekannt als @betablogr.

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