Aktualisiert

13. März 2025

Plädoyer für eine humanistische, digitale Bürokratie

Der Mensch als Maß für regelbasierte Ordnungen

Das Phänomen der digitalen Bürokratie beeinflusst die Effizienz und Transparenz der Verwaltungsprozesse, während die menschliche Urteilsfähigkeit und Verantwortung durch die zunehmende Automatisierung potenziell abnimmt, was zu einer Entfremdung der Bürger von den Entscheidungsprozessen führen kann.

German

Der Text plädiert für eine humanistische digitale Bürokratie, die Menschlichkeit, Transparenz und ethische Werte in den Mittelpunkt stellt.

Die digitale Transformation unserer Gesellschaft schreitet unvermindert voran und greift tief in die Strukturen unserer öffentlichen Verwaltung ein. In dieser entscheidenden Phase historischen Wandels müssen wir uns vergegenwärtigen, dass Bürokratie nicht lediglich ein technisches Gerüst darstellt, sondern immer auch Ausdruck gesellschaftlicher Werte und Prioritäten ist. Während wir die Potenziale der Digitalisierung für effizientere Verwaltungsprozesse nutzen sollten, ist es von fundamentaler Bedeutung, dass wir eine Bürokratie schaffen, die primär humanistischen Werten verpflichtet bleibt und die Würde des Menschen in den Mittelpunkt stellt.

Die humanistische Grundlage einer zukunftsfähigen Bürokratie

Eine Bürokratie, die sich am digitalen Humanismus orientiert, behandelt Digitalisierung nicht als Selbstzweck, sondern als Mittel zur Verwirklichung einer gerechteren, transparenteren und menschenzentrierten Gesellschaft. Der digitale Humanismus, wie er im Vienna Manifesto on Digital Humanism definiert wird, »beschreibt, analysiert und beeinflusst die komplexe Wechselwirkung von Technologie und Menschheit für eine bessere Gesellschaft und ein besseres Leben, unter voller Achtung der universellen Menschenrechte« [1].

In diesem Sinne muss eine humanistische Bürokratie den Menschen in seiner Individualität und Diversität respektieren und fördern. Wie Julian Nida-Rümelin betont, liegt die zentrale Fähigkeit des Menschen darin, »sich von Gründen leiten zu lassen« [3]. Diese Fähigkeit darf in einer digitalisierten Bürokratie nicht untergraben, sondern muss gestärkt werden. Die Bürger müssen als »Autoren des eigenen Lebens« anerkannt werden, die Verantwortung für ihre Entscheidungen tragen [3]. Eine humanistische Bürokratie unterstützt diese Autorschaft, anstatt sie durch technologische Bevormundung zu unterminieren.

Die Algorithmizität der Bürokratie verstehen und gestalten

Bürokratie war ihrem Wesen nach schon immer algorithmisch – lange bevor Computer existierten. Sie basiert auf Regeln, Verfahren und systematischen Prozessen, die unter gegebenen Bedingungen zu vorhersehbaren Ergebnissen führen sollen. In diesem Sinne kann sie tatsächlich als eine Form der »halbkünstlichen Intelligenz« verstanden werden: ein Regelwerk, das von Menschen geschaffen wurde, um Entscheidungsprozesse zu systematisieren und zu rationalisieren. →

Diese Erkenntnis sollte unser Verständnis der digitalen Transformation bürokratischer Prozesse prägen. Die Digitalisierung ist nicht die Einführung von Algorithmizität in die Verwaltung, sondern vielmehr eine neue Stufe ihrer Umsetzung. Das wirft fundamentale Fragen auf: Welche Werte sollen in diesen Algorithmen verankert sein? Wer kontrolliert sie? Und wie transparent sind sie für diejenigen, deren Leben sie beeinflussen?

Die Gefahr besteht nicht in der Algorithmizität selbst, sondern in der Versuchung, menschliche Urteilsfähigkeit und Verantwortung an intransparente technische Systeme abzugeben. »Entscheidungen, deren Folgen individuelle oder kollektive Menschenrechte betreffen könnten, müssen weiterhin von Menschen getroffen werden« [1]. Diese zentrale Forderung des Wiener Manifests muss zur Grundlage jeder digitalen Verwaltungsreform werden.

Deliberation im digitalen Zeitalter

Deliberative Prozesse – der offene Austausch von Argumenten, das gemeinsame Abwägen von Gründen, die kollektive Urteilsfindung – sind das Herzstück demokratischer Gesellschaften. Sie dürfen durch eine vorschnelle Digitalisierung nicht diskreditiert oder verdrängt werden. Vielmehr sollten digitale Werkzeuge dazu dienen, deliberative Prozesse zu stärken und inklusiver zu gestalten.

Die besondere Herausforderung liegt darin, die Transparenz algorithmischer Entscheidungsprozesse sicherzustellen. Ein humanistischer Ansatz fordert, dass Algorithmen nicht als undurchschaubare »Black Boxes« fungieren dürfen, sondern ihre Funktionsweise und Entscheidungsgrundlagen nachvollziehbar sein müssen. Dies ist nicht nur eine technische, sondern vor allem eine ethische Anforderung.

Menschen haben ein Recht zu verstehen, auf welcher Basis Entscheidungen getroffen werden, die ihr Leben betreffen.

Wie Hannes Werthner bemerkt: »Digitaler Humanismus folgt einem konstruktiven Ansatz, sein Fokus liegt auf Technologien, die Menschen ermächtigen, den Zugang zu Wissen erleichtern, Teilhabe und Inklusion in der Gesellschaft ermöglichen und Vielfalt unterstützen« [1]. Eine humanistische Bürokratie muss daher Werkzeuge entwickeln, die die Partizipation der Bürger an Entscheidungsprozessen fördern, statt sie durch technologische Komplexität zu erschweren.

Konkrete Schritte zu einer humanistischen digitalen Bürokratie

Um eine Bürokratie zu schaffen, die sowohl digital fortschrittlich als auch humanistisch fundiert ist, bedarf es konkreter Maßnahmen:

  1. Entwicklung ethischer Leitlinien: Jedes digitale Verwaltungssystem sollte auf klar formulierten ethischen Grundsätzen basieren, die den Menschen in den Mittelpunkt stellen. Diese Leitlinien müssen unter Einbeziehung verschiedener gesellschaftlicher Gruppen erarbeitet werden.

  2. Transparenz algorithmischer Entscheidungen: Bürger sollten das Recht haben, zu erfahren, wie automatisierte Entscheidungen zustande kommen. Dies umfasst den Zugang zu verständlichen Erklärungen der verwendeten Algorithmen und ihrer Entscheidungskriterien.

  3. Menschliche Kontrolle: Bei allen wichtigen Entscheidungen muss letztlich ein Mensch die Verantwortung tragen. Automatisierte Systeme sollten als Unterstützung, nicht als Ersatz für menschliche Urteilskraft, dienen.

  4. Förderung digitaler Kompetenzen: Eine humanistische digitale Bürokratie erfordert kompetente Bürger. Bildungsprogramme sollten nicht nur technische Fähigkeiten vermitteln, sondern auch kritisches Denken und ein Verständnis für die ethischen Dimensionen digitaler Technologien fördern.

  5. Inklusive Gestaltung: Digitale Verwaltungssysteme müssen so gestaltet sein, dass sie für alle Bürger zugänglich sind, unabhängig von ihren technischen Fähigkeiten, ihrem Alter oder möglichen Beeinträchtigungen.

Die deontologische Dimension der digitalen Bürokratie

Aus deontologischer Perspektive, die die Pflicht und den intrinsischen Wert von Handlungen betont, müssen wir anerkennen, dass die Gestaltung bürokratischer Systeme nicht wertfrei sein kann. Wir haben die moralische Pflicht, Systeme zu schaffen, die die Würde und Autonomie jedes Menschen respektieren und fördern. Die Digitalisierung der Bürokratie darf niemals zum Selbstzweck werden, der die Grundprinzipien des Humanismus untergräbt.

Wie Sarah Bakewell in ihrer Betrachtung des Humanismus schreibt, geht es darum, »Only connect!« – Verbindungen herzustellen zwischen Menschen, zwischen unterschiedlichen Perspektiven und zwischen verschiedenen Bereichen des Wissens [2]. Eine humanistische digitale Bürokratie muss diese Verbindungen fördern, anstatt sie durch technologische Barrieren zu erschweren.

Der Humanismus als Leitkultur der digitalen Transformation

Eine Bürokratie, die dem digitalen Humanismus verpflichtet ist, versteht Technologie als Werkzeug zur Förderung menschlichen Wohlergehens, nicht als Selbstzweck. Sie erkennt die algorithmische Natur bürokratischer Prozesse an, besteht aber darauf, dass diese Algorithmen transparent, gerecht und menschenzentriert sein müssen. Sie nutzt digitale Technologien, um deliberative Prozesse zu stärken und inklusiver zu gestalten, anstatt sie durch undurchsichtige automatisierte Entscheidungen zu ersetzen.

In einer Zeit, in der die technologische Entwicklung oft schneller voranschreitet als unsere ethische Reflexion, ist es von entscheidender Bedeutung, dass wir uns auf die humanistischen Grundwerte besinnen: die Würde des Menschen, seine Fähigkeit zur Vernunft und Verantwortung, seine Freiheit als Autor des eigenen Lebens. Diese Werte müssen die Leitkultur einer jeden bürokratischen Reform bilden, damit die Digitalisierung nicht zum Hindernis, sondern zum Katalysator einer gerechteren, freieren und menschlicheren Gesellschaft wird.

Wie Julian Nida-Rümelin es ausdrückt: »Der digitale Humanismus schärft die Kriterien menschlicher Verantwortung angesichts der Verfügbarkeit digitaler Technologien und fordert eine Ausweitung der Verantwortungszuschreibung auf durch digitale Technologien vermittelte Kommunikation und Interaktion« [1]. In diesem Sinne sollten wir die digitale Transformation unserer Bürokratie gestalten – als ein zutiefst menschliches Projekt, das unsere gemeinsamen Werte widerspiegelt und unser kollektives Wohlergehen fördert.

Verwendete Literatur

[1] Winter, D., & Nida-Rümelin, J. (2024). Introduction to Digital Humanism. Springer. https://link.springer.com/book/10.1007/978-3-031-45304-5

[2] Bakewell, S. (2022). Wie man Mensch wird: Eine philosophische Anleitung. C.H. Beck. ISBN 9783406805523.

[3] Nida-Rümelin, J. (2022). Eine Theorie Praktischer Vernunft. De Gruyter. ISBN 9783110603538.

Frank Stratmann

Ich bin Frank Stratmann – ein erfahrener Foresight- und Kommunikationsdesigner, der mit Leidenschaft für Fachkräfte im Gesundheitswesen arbeitet.
Auch bekannt als @betablogr.

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