Aktualisiert

1. April 2025

Der Leib als Grundlage für Freiheit und Verantwortung

Eine philosophische Betrachtung

Soziales Anliegen

Das Phänomen der leiblichen Einschränkungen, wie im Text beschrieben, führt zu einem Anstieg von Diskriminierung und sozialer Ungleichheit, während gleichzeitig das individuelle Freiheitsgefühl und die Möglichkeit zur Selbstentfaltung abnehmen.

German

Der Leib ist zentral für Freiheit und Verantwortung; seine Berücksichtigung fördert ein umfassenderes Verständnis dieser Konzepte.

Die Verbindung zwischen Leiblichkeit, Freiheit und Verantwortung offenbart einen oft vernachlässigten Aspekt philosophischer Betrachtungen. Unsere unausweichliche körperliche Existenz bildet die Grundlage jeglicher Freiheitserfahrung.

Aktuelle Diskussionen um Timothy Snyders »Philosophie des Leibes« in seinem Buch »Über Freiheit« und frühere Arbeiten von Hermann Schmitz zur Neuen Phänomenologie zeigen die Dringlichkeit einer leiblichen Perspektive auf Freiheit.

Besonders deutlich wird dies anhand konkreter Beispiele aus Filmen wie »Hidden Figures« und »Das Streben nach Glück«, in denen die Kontrolle über leibliche Grundbedürfnisse als Machtinstrument und Freiheitseinschränkung dargestellt wird. Diese Einschränkungen verdeutlichen, dass ein umfassendes Freiheitsverständnis nicht ohne die Berücksichtigung leiblicher Dimensionen möglich ist und Verantwortung nur dort entstehen kann, wo Autonomie über den eigenen Körper gewährleistet ist.

Timothy Snyders positive Freiheitskonzeption und die Philosophie des Leibes

Timothy Snyder entwickelt in seinem Werk »Über Freiheit« eine differenzierte Betrachtung des Freiheitsbegriffs, der den Leib als zentrales Element einbezieht. Er stellt dabei fest, dass in vielen gesellschaftlichen Kontexten ein zu enger Freiheitsbegriff dominiert, den er als »negative Freiheit« identifiziert. Diese Definition versteht Freiheit primär als »Abwesenheit von Behinderungen oder Schranken in unserem und für unser Handeln« . Besonders in politischen Diskursen, wenn etwa liberale Parteien ein »Weniger an Staat« fordern, kommt dieser reduzierte Freiheitsbegriff zum Tragen.

Snyder kritisiert diese Verengung als gefährlich und sieht in ihr einen Grund für die gegenwärtigen gesellschaftlichen Krisen. Er stellt fest: »Freiheit ist nicht nur die Abwesenheit des Bösen, sondern auch die Anwesenheit des Guten« .

Damit führt er den Begriff der »positiven Freiheit« ein, der Freiheit nicht als bloße Abwesenheit von Zwängen, sondern als Anwesenheit von Sinnerfüllung versteht. Diese Überlegung entspringt seinen Beobachtungen in der Ukraine, wo er sich mit der Frage konfrontiert sah, ob Menschen in einem zerbombten Dorf, das von ukrainischen Soldaten befreit wurde, tatsächlich in Freiheit leben1.

Das positive Freiheitsverständnis Snyders umfasst notwendigerweise die Leiblichkeit des Menschen. Frei zu sein bedeutet nicht nur, keine äußeren Zwänge zu haben, sondern auch die Möglichkeit zu besitzen, mit seinem Körper selbstbestimmt umzugehen und grundlegende Bedürfnisse zu befriedigen. Hierin zeigt sich die Verbindung zwischen der Philosophie des Leibes und einem substanziellen Freiheitsverständnis: Der Leib ist nicht nur Träger unserer Existenz, sondern auch Medium unserer Freiheitserfahrung.

Hermann Schmitz und die leibliche Dimension menschlicher Existenz

Die leib-philosophischen Überlegungen Snyders finden einen Vorläufer in Hermann Schmitz’ Neuer Phänomenologie, die bereits seit den 1960er Jahren entwickelt wurde. Schmitz’ Ansatz zeichnet sich durch die »Wiederentdeckung der unwillkürlichen Lebenserfahrung« aus und geht von dem aus, »was jeder Mensch vortheoretisch am eigenen Leib spürt«.

Schmitz unterscheidet dezidiert zwischen Körper und Leib. In einem Interview erläutert er: »Der Menschenkörper ist ein Ding mit steter Dauer und festem Umriss und nach Lagen und Abständen überall bestimmt durch relative Orte. Der spürbare Leib ist dagegen alles das, was man in den Grenzen des eigenen Körpers von sich selbst als zu sich selbst gehörig spürt, und zwar ohne sich der Sinne zu bedienen« . Zu diesem Leib gehören leibliche Regungen wie Angst, Schmerz, Wollust und Müdigkeit, aber auch das Ergriffensein von Gefühlen und das spürbare Eingreifen und Laufen.

Diese Unterscheidung ist für das Verständnis von Freiheit fundamental. Schmitz kritisiert die abendländische Geistesgeschichte für ihre »fatale Prägung«, die aus drei Aspekten besteht: Psychologismus, Reduktionismus und Introjektionismus . Diese Denktraditionen haben zu einer Abtrennung des menschlichen Denkens von der unmittelbaren Lebenserfahrung geführt und dadurch ein verengtes Freiheitsverständnis begünstigt, das die leibliche Dimension unserer Existenz vernachlässigt.

Leibliche Einschränkungen als Freiheitsberaubung: Konkrete Manifestationen

Die philosophischen Überlegungen zur Bedeutung des Leibes für die Freiheit werden besonders anschaulich in konkreten historischen und sozialen Kontexten, in denen leibliche Grundbedürfnisse kontrolliert und eingeschränkt werden. Zwei filmische Darstellungen verdeutlichen diesen Zusammenhang exemplarisch.

»Hidden Figures« und die Kontrolle leiblicher Bedürfnisse als Unterdrückungsinstrument

Der Film »Hidden Figures« thematisiert die Geschichte dreier afroamerikanischer Frauen, die in den 1960er Jahren bei der NASA arbeiteten und trotz ihrer herausragenden Leistungen mit rassistischer und sexistischer Diskriminierung konfrontiert waren. Ein besonders eindrückliches Beispiel für die Kontrolle über den Leib als Machtinstrument zeigt der Film am Beispiel der Mathematikerin Katherine Johnson, die in die Abteilung von Al Harrison aufsteigt .

Johnson sieht sich dort mit dem Problem konfrontiert, dass es im Hauptgebäude der NASA keine Toiletten für schwarze Frauen gibt. Da sie die für Weiße vorgesehenen Toiletten nicht benutzen darf, muss sie für jeden Toilettengang einen langen Weg zum entfernten Gebäude der »farbigen« Abteilung zurücklegen. Dies führt dazu, dass sie »jeden Tag mehrmals 45 Minuten für einen Gang zur Toilette« benötigt . Diese Einschränkung leiblicher Bedürfnisse wird zur konkreten Manifestation rassistischer Unterdrückung und verdeutlicht, wie die Kontrolle über grundlegende körperliche Funktionen zur Beschneidung von Freiheit eingesetzt wird.

Die Leiblichkeit wird hier zum Ansatzpunkt für Unterdrückung und Diskriminierung. Die Unmöglichkeit, leibliche Grundbedürfnisse angemessen zu befriedigen, schränkt nicht nur die persönliche Freiheit ein, sondern bedroht auch die berufliche Entfaltung und das Selbstwertgefühl. Dies illustriert auf schmerzliche Weise Snyders These, dass Freiheit nicht nur die Abwesenheit von Zwängen, sondern auch die Anwesenheit von Möglichkeiten zur Selbstentfaltung und Würde bedeutet.

Leibliche Einschränkungen als Begleiterscheinung sozialer Ungleichheit in »Das Streben nach Glück«

In »Das Streben nach Glück« wird eine andere Dimension leiblicher Einschränkung thematisiert. Der Film zeigt den sozialen Abstieg von Chris Gardner (gespielt von Will Smith), der mit seinem kleinen Sohn von Obdachlosenasyl zu Obdachlosenasyl ziehen muss und schließlich sogar in einer U-Bahn-Toilette übernachtet .

Die Strategie des Protagonisten, während seiner Arbeit weniger zu trinken, um Zeit für Toilettengänge zu sparen, zeigt, wie entfremdend äußere Zwänge wirken können, sich des eigenen Verstands im Sinne der Unvernunft zu bedienen. Teilweise wirkt das konditionierend. Die selbst auferlegte Einschränkung eines grundlegenden leiblichen Bedürfnisses (Trinken und Entlastung) verdeutlicht die prekäre Situation, in der jede Minute als wertvoller erachtet wird, als die eigenen Grundbedürfnisse, um den beruflichen Aufstieg zu schaffen. Die Kontrolle über den eigenen Leib wird hier zum verzweifelten Versuch, in einem ungerechten System zu bestehen.

Gardner erfährt am eigenen Leib, was es bedeutet, in seiner Existenz bedroht zu sein. Die Obdachlosigkeit und die damit verbundene Einschränkung elementarer Bedürfnisse wie Hygiene, Privatsphäre und Sicherheit führen zu einer fundamentalen Einschränkung seiner Freiheit. Der Film zeigt eindrücklich, wie soziale Ungleichheit sich unmittelbar auf der Ebene des Leibes manifestiert und wie die Wiedererlangung einer elementaren Kontrolle über die eigenen Lebensbedingungen zur Voraussetzung für Freiheit und Selbstbestimmung wird.

Die Unentrinnbarkeit des Leibes: Philosophische Implikationen

Die diskutierten Beispiele verdeutlichen eine fundamentale Einsicht: Die Unentrinnbarkeit aus dem eigenen Körper ist eine existenzielle Gegebenheit, die in philosophischen und gesellschaftlichen Diskursen über Freiheit oft vernachlässigt wird. Diese Vernachlässigung hat weitreichende Konsequenzen für unser Verständnis von Freiheit und Verantwortung.

Schmitz’ Neue Phänomenologie bietet hier wichtige Ansatzpunkte. Sein Leibbegriff unterstreicht, dass der Leib nicht einfach ein physisches Objekt ist, sondern der unmittelbare Ort unserer Selbsterfahrung. Der Leib hat eine »Inselstruktur«, er ist »ein Gewoge verschwommener Inseln« , die wir unmittelbar spüren. Diese unmittelbare Leiblichkeit können wir nicht hinter uns lassen; sie begleitet uns in jeder Lebenssituation und bildet die Grundlage unserer Interaktion mit der Welt.

Die philosophische Bedeutung dieser Unentrinnbarkeit liegt darin, dass jede Konzeption von Freiheit, die den Leib ausklammert oder auf einen bloßen Körper reduziert, notwendigerweise unvollständig bleibt. Freiheit kann nicht nur als geistige oder politische Kategorie verstanden werden, sondern muss die leibliche Dimension menschlicher Existenz einbeziehen. Die Kontrolle über grundlegende leibliche Bedürfnisse ist nicht ein Randaspekt, sondern ein zentrales Element von Freiheit.

Freiheit und Verantwortung aus leiblicher Perspektive

Die Beziehung zwischen Freiheit und Verantwortung wird durch die leibliche Perspektive in ein neues Licht gerückt. Traditionell wird diese Beziehung als »untrennbar« beschrieben, wobei »Freiheit als Voraussetzung für Verantwortung gilt«. Doch was bedeutet diese Beziehung, wenn wir die Unentrinnbarkeit des Leibes ernst nehmen?

Die leibliche Dimension erweitert unser Verständnis von Verantwortung in zweifacher Hinsicht. Erstens impliziert sie eine Verantwortung für den eigenen Leib und seine Bedürfnisse. Selbstfürsorge wird zu einer ethischen Kategorie. Zweitens erfordert sie eine gesellschaftliche Verantwortung für die Schaffung von Bedingungen, unter denen alle Menschen ihre leiblichen Bedürfnisse in Würde befriedigen können.

Wie die Anfrage richtig feststellt, ist »gelebte Verantwortung« kaum denkbar, wo Menschen in ihrer leiblichen Existenz derart eingeschränkt sind, wie es die beiden diskutierten Beispiele zeigen. Wer ständig mit der Befriedigung elementarer Bedürfnisse kämpfen muss oder wegen diskriminierender Strukturen keinen Zugang zu sanitären Einrichtungen hat, wird die Übernahme von Verantwortung für komplexere (teilweise) gesellschaftliche Aufgaben schwerfallen.

Dies verdeutlicht, dass die vier Hauptelemente der Verantwortung – »Verantwortungssubjekt, -objekt, -instanz und -maßstab« – um eine leibliche Dimension erweitert werden müssen. Das Verantwortungssubjekt ist immer auch ein leibliches Wesen, dessen Handlungsfähigkeit von der Befriedigung grundlegender Bedürfnisse abhängt. Die Verantwortungsinstanz kann nicht abstrakt bleiben, sondern muss die konkrete leibliche Situation der Betroffenen berücksichtigen.

Für ein leiblich fundiertes Verständnis von Freiheit und Verantwortung

Die Betrachtung der Leiblichkeit als Grundlage für Freiheit und Verantwortung führt zu einem tieferen und umfassenderen Verständnis dieser zentralen philosophischen Konzepte. Timothy Snyders »Philosophie des Leibes« und Hermann Schmitz’ Neue Phänomenologie bieten wertvolle Ansätze, um die oft vernachlässigte leibliche Dimension in den Mittelpunkt zu rücken.

Die Beispiele aus »Hidden Figures« und »Das Streben nach Glück« verdeutlichen, wie die Kontrolle über leibliche Grundbedürfnisse zum Instrument von Diskriminierung und sozialer Ungleichheit werden kann. Sie zeigen, dass Freiheit nicht nur die Abwesenheit äußerer Zwänge bedeutet, sondern auch die positive Möglichkeit, die eigenen leiblichen Bedürfnisse in Würde zu befriedigen.

Aus dieser Perspektive ergibt sich eine erweiterte Konzeption von Verantwortung, die sowohl die individuelle Verantwortung für den eigenen Leib als auch die gesellschaftliche Verantwortung für die Schaffung leibfreundlicher Strukturen umfasst. Ein solches leiblich fundiertes Verständnis von Freiheit und Verantwortung könnte einen wichtigen Beitrag zur Überwindung von Diskriminierung und zur Förderung einer gerechteren Gesellschaft leisten.

Die Unentrinnbarkeit aus dem eigenen Körper ist keine Einschränkung, die überwunden werden muss, sondern eine grundlegende Bedingung menschlicher Existenz, die in philosophischen und gesellschaftlichen Diskursen angemessen berücksichtigt werden sollte. Nur so kann ein Freiheitsverständnis entwickelt werden, das der gelebten Erfahrung von Menschen in ihrer leiblichen Existenz gerecht wird und eine Grundlage für verantwortliches Handeln bildet.

Frank Stratmann

Ich bin Frank Stratmann – ein erfahrener Foresight- und Kommunikationsdesigner, der mit Leidenschaft für Fachkräfte im Gesundheitswesen arbeitet.
Auch bekannt als @betablogr.

AVAILABLE FOR WORK

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